Das Ende des
Dreieckskonflikts zeigt eine eher schwache Karin im Vergleich zu
ihrer starken Entschlossenheit im erfolgreichen Freiheitskampf gegen
Christian II., aus dem letztlich aber Wasa siegreich hervorgeht.
Rosen ist als Verlierer ein Antiheld, der innerlich zerstört
überlebt. Das ist in anderen Novellen gerade auch in „Nordlicht“
z.B. in „Magister Thimotheus“ bei Jensen nicht typisch.
Geschwisterlich enge Beziehungen wie ebendort in „Posthuma“
münden schon im Frühwerk ohne psychoanalytische Dimensionen in
Katastrophen, als würden sie bestraft.
Auf einer anderen, öfter
im Vorbeigehen angesprochenen Ebene bleibt Karin dennoch die
eindrucksvollste Gestalt in Jensens Novelle, weil er mit ihr
verbunden die ganze Poesie der elementaren Natur Schwedens vor Augen
führt. Er lässt sie mythologisiert aus der Trollhättan-Landschaft
entstehen, und der Leser sieht mit ihren Blicken im Jahresablauf
Wasser, Wald und Himmel - die Zeichen gebende, bergende, beseelte
Natur ihrer Heimat. Wilhelm Jensen hat gut daran getan, ein
ursprünglich anzunehmendes Drama „Karin von Schweden“ episch
aufzulösen, denn nur so kann die Poetisierung sich deskriptiv voll
entfalten. Um ihretwillen fokussiert er den geschichtlichen Ablauf
und die Topologie, damit das Wesen der nordischen gewaltigen
Landschaft mit ihren Elementen in der jeweiligen jahreszeitlichen
Beleuchtung sich darin manifestieren kann. Sie ist konstitutiv für
die Identität der Personen, besonders für Karins Charakterisierung.
Sie verkörpert in großer Bodenständigkeit die selbständige
politische Entscheidung für die Freiheit, ohne - und dies zeigt der
Schlussteil - überzogen idealisiert zu werden. Jensen legt mit
dieser einheitlichen Sehweise die Grundlage für ein literarisches
Konzept, dass er über Jahrzehnte in anderen Landschaften in
historischer Perspektive sehr erfolgreich fortsetzt.
Die französische
Übersetzung stößt gerade bei dieser Poetisierung, die ja eine
sprachliche in Laut und Bild ist, an ihre Grenzen. Schon im zweiten
Satz kommen die stürzenden Wasser des Trollhättan lautlich selber
zu Wort: „sie rauschen seit tausend, tausend Jahren,.“ Dieses
Rauschen mit dem Verb „gronder“ wieder zu geben, vermittelt nur
einen annähernden Eindruck ebenso wie die alliterierenden
Doppelverben die malerische Seite in der Fremdsprache nur andeuten.
Und die tiefrote stille Mahnung des abendlichen Mälarsees, die vom
Jubel in der Hauptstadt „abstach“, wird der Doppelbödigkeit der
dichterischen Sprache mit „contraster“ nicht gerecht, denn gerade
in der ambivalenten Hervorhebung am Absatzende kündigt mit dieser
rhetorischen Prolepse die wissende und warnende Natur auch das
Massaker („abstechen“ mit Dolchen) von Stockholm an. Das
Gesamtbild, zu dem immer Details zu ergänzen wären, entsteht in der
Imagination, kraft derer der Autor Jensen zum Gang durch die
Geschichte ausgewählter Naturlandschaften einlädt:
Was niemand schrieb, das
meldet euch der Dichter.
Wo Dunkel sich auf lang
Verschollnes streckt,
Hellt er die Nacht;
verworrner Kunde Schlichter,
Entwirrt er deutend sie.
Vom Schlaf erweckt
Die Toten er. Verkündet
als Berichter,
Was ihre Brust dem Blick
ihm aufgedeckt.
Im Zwange frei, belebt er
zum Gedichte
Mit warmem
Menschenherzschlag die Geschichte.
(Motto zu Jensens letztem
Roman „Auf dem Vestenstein“ 1912, zuvor schon 1896 in „Der
Hohenstaufer Ausgang“)
In Wilhelm Jensens
„Karin von Schweden“ dominiert die Poetisierung in den
Naturpassagen gegenüber dem historischen Geschehen, das sich diesem
Effekt bisweilen unterordnet und zur Steigerung der Dramatik sogar
umstrukturieren lässt. Das verbindet sich in den späteren Romanen,
die nicht dunkel Verschollenes oder exotische Fernen erhellen, nicht
mehr so oft zu der aufgezeigten suggestiven Einheit, weil
vaterländische Geschichte dem deutschen Leser stärker vertraut war.
Vielleicht weicht er gerade deswegen nicht nur in entfernte
Jahrhunderte, sondern auch in Grenzräume wie z.B. die Nordseeränder
aus, wo seine elementar erlebte grandiose Imagination zu Hause ist
und das Zeitgeschehen dort störend in den Rhythmus von Natur und
Mensch einbricht.
Wilhelm
Jensen 1872
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