Das Geschehen setzt zwei
Tage nach dem Stockholmer „Blutbad“ vom 9. November 1520 ein, als
der Sieger Christian II. von Dänemark den schwedischen Adel zur
Krönung nach Stockholm geladen hatte, dort verurteilen und fast
ausnahmslos ermorden ließ. Es beschränkt sich zeitlich auf einen
Tag an den südschwedischen Wasserfällen von Trollhättan und auf
dem von Jensen in ihre Nähe verpflanzten Schloss Torpa der
Adelsfamilie Stenbock. Die junge Karin, wegen ihrer märchenhaften
Schönheit „Rose von Trollhättan“ genannt, wird bei ihrer
lebensgefährlichen Verfolgung eines Schmetterlings von einem Fremden
vor dem drohenden Absturz in die Strudel gerettet. Dieser Fremdling
gibt sich nicht zu erkennen, ist jedoch auf der Flucht vor den Dänen
und bittet inkognito um ein Nachtlager. Karin führt ihn heimlich ins
Schloss und überlässt ihm ihr Schlafzimmer, das an dasjenige ihrer
blinden Mutter Brita anschließt. Überraschend tauchen abends Karins
Vater Gustav Stenbock und ihr Verlobter Gustav Rosen auf. Der Vater
ist wegen einer Verletzung nicht bis Stockholm gelangt. Der in Torpa
aufgewachsene, schwedisch naturalisierte Däne Rosen hat das
Massaker mit erlebt und berichtet davon.
Plötzlich erscheinen
dänische Soldaten. Stenbock erhält wegen Nichterscheinens in
Stockholm Hausarrest und man will das Schloss durchsuchen. Als die
Reihe an das Schlafgemach Karins kommt, gibt sich Rosen den Dänen zu
erkennen und interveniert: er gebe sein Wort, dass niemand sich
nebenan im Schlafzimmer seiner Braut aufhalte. Die Dänen erkennen
ihren hochrangigen Landsmann, entschuldigen sich und Rosen sieht
selber nach und entdeckt in dem leeren Zimmer zu seiner Bestürzung
Stiefelspuren auf dem Bett und im Gang. Karin hatte inzwischen den
Verfolgten zu dem unterirdischen Gang nach Trollhättan geführt,
während Rosen die Truppe herbei ruft. Der Verfemte verlangt von
Karin einen Kuss für ihre Rettung am Wasserfall und erzwingt ihn in
dem Augenblick, als Gustav Rosen sie entdeckt und in ihm den einzigen
schwedischen Adligen, Gustav Erichsson, erkennt, der sich der
Einladung widersetzt hatte. Rosen, am Rande der Verzweiflung,
wünscht, er wäre nie zurück gekommen und lässt jenen um sich und
Karins willen entfliehen. Den Soldaten versichert er, es sei kein
Mann im Zimmer verborgen gewesen. Die Verlobten sind in dieser
„sonderbaren“ Situation unfähig, sich einander zu erklären.
Und wo ist der Falke?
Die zweite Rettung, d.h.
die Gustav Erichssons durch Karin, stürzt Gustav Rosen jäh und
unvermutet in einen Loyalitätskonflikt zwischen seiner Braut und
seinem König, vertreten durch den dänischen Durchsuchungstrupp. Er
fühlt sich von Karin verraten, wobei er selber Verrat begeht, indem
er sie und Erichsson nicht ausliefert. Karins Betrug trifft ihn ins
Herz, macht ihn hilf- und kraftlos. Plötzlich sieht er sich vor
einem Rivalen gleichen Namens. Karins Liebe scheint verloren.
Aber dieser Novellentopos
wird nicht explizit. Der Konflikt zwischen Liebe und Vaterland kommt
nicht recht zu Bewusstsein, ist eher Karins spontane Geste der
Dankbarkeit und Verteidigung als eine Entscheidung gegen Rosen.
Dennoch prägt dies Ereignis hinfort die Charaktere und reift
besonders bei Karin zu einem politischen Engagement heran, um in
einer Verrat-Dublette in Kapitel V eine bewusste Entscheidung herbei
zu führen.
Man muss einräumen,
dass die Falkentheorie hier etwas zu subtil thematisiert ist, als
dass sie eindeutig dies erste Kapitel als Novelle kennzeichnet und
vor allem damit nicht abschließt. .1
Ist es nicht Gustav Rosen, der die Herzenswunde erhält, und nicht
Karin, die Rose von Trollhättan, nach der die Novelle ja benannt
ist?
Eine dominantere
Struktur leitet sich aus der ansteigenden Spannung des Geschehens ab,
mit der Wilhelm Jensen gut vertraut war: es ist eine
theatral-dramatische, nicht zuletzt im Blick auf die Ideenquelle
Ibsen mit der Situation des ersten Aktes von „Fru Inger av
Oestrod“. Das Schloss Torpa repräsentiert mit den beiden
benachbarten Räumen ein reduzierte Szenenbild des nationalen
Geschehens mit allen wichtigen Kontrahenten – vorerst ohne
Christian II. - im schwedischen Freiheitskampf, in den das zentrale
Liebespaar hineingezogen wird. Der Konflikt zwischen der Liebe
zueinander und der zum Vaterland ist ein häufiger Antagonismus im
französischen klassischen Theater. An die Stelle der älteren,
handlungsunfähigen Inger bei Ibsen tritt nunmehr verjüngt Karin und
rettet Erichsson, der niemand anderes ist als Gustav Wasa, der
spätere frei gewählte König Schwedens und ihr künftiger Gemahl.
Es ist die epische Exposition eines sich zuspitzenden Königsdramas
und im Hinblick auf Karin und Rosen das Charakterdrama der sich in
der Staatsaffäre und im Rivalitätskonflikt verlierenden
Protagonisten des Liebesplots. Exeunt.
1Jensens
Umgang mit literarischen Doktrinen kann sehr unbefangen sein und bis
zur Ironie gehen. In „Deutschland in Not“ (1909) konstruiert er
eine Dreiecksgeschichte zwischen dem Herzog von Braunschweig, einem
Hans Gibich und einer jungen Mitkämpferin gegen die Franzosen, eine
geborene Falke, hier „Falconia“ genannt, in die Gibich
hoffnungslos verliebt ist, weil offenbar der Herzog sie erwählt
hatte und mit nach England nehmen wollte. Erst im letzten Augenblick
vor der Überfahrt, als Gibich sie für verloren gibt, klärt ihn
der Herzoig darüber auf, dass er sie unter diesem Vorwande für ihn
mitgeführt habe und ihrer Liebe nicht im Wege stehe.
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