Mittwoch, 31. Dezember 2014

XI. Bluthochzeit

Kompositorisch fällt mit dem Beginn des dritten Kapitels die Mitte des Textes zusammen. Schweden liegt von Christian und dem Winter gebändigt wie tot da. Die Verlobten scheinen im modernen Sinne die Geschehnisse zu verdrängen. Rosen fühlt zwar bittere Enttäuschung über die nächtliche Szene auf Torpa, deren Mitwisser er wurde, Karin aber begreift in ihrer „ahnungslosen Unschuld“ (S. 117) nichts von seinem Loyalitätskonflikt und seiner Eifersucht, die der auktoriale Erzähler allgemein kommentiert (vgl. 120 f.). Gerüchte verbreiten sich über einen Aufstand in Darlana unter Führung Wasas, über Enthauptungen sogar von Kindern und einer vermeindlichen Loyalität Stenbocks, die sich auch auf die Anwesenheit Rosens gründet. Am 1. Mai soll endlich Hochzeit sein und Christian II. persönlich an der Feier teilnehmen.
Nach dem historischen Rückblick in Kapitel II wird die Haupthandlung bzw. der Hauptkonflikt wieder aufgenommen. Lässt man Kapitel II in der Aktzählung aus, würde sich bei dem Hochzeitsthema in Kapitel V ein vierter Akt mit der Peripetie erwarten lassen: diese ist der missglückte nächtliche Anschlag auf Christian, der zur Katastrophe führt (Kap. VI = Akt V). Novellistisch fällt damit eine Dublette des zweiflügeligen Falkentopos zusammen. In Kapitel VII setzt Jensen als Historiker wieder ein und schildert verkürzt auf ein Jahr den Machtkampf Wasas bis zur Krönung, die historisch erst drei Jahre später erfolgen sollte. Es spricht vieles dafür, dass die Dramatik Jensen stärker beschäftigt als die historische Faktizität. Das dritte künstlerische Mittel, die Parallelsetzung von Jahreszeiten und Naturphänomenen zum historischen Geschehen poetisiert stilistisch den Gesamtablauf zu einer Einheit von Geschichte und Natur.
Christian II (Kap. IV) zieht gut gelaunt mit großem Gefolge heran, wird respektvoll empfangen und mit zwölf Rittern im Schloss einquartiert. Sogar Brita Stenbock heißt ihn willkommen und wünscht, dass sein Verweilen im Hause Schweden zum Heile gereiche (S.133). Karin erscheint in vollendeter Schönheit erst zur Abendtafel und Christian plaziert sie neben sich. Während der ausgelassenen Mahles, bei dem man besorgt fragt, ob Stenbock nicht seine Tochter Christian zugedacht habe, verabredet der trunkene König einen nächtlichen Besuch bei Karin – eine Stunde, nachdem alles zur Ruhe gegangen (S. 140).
Nachts bricht mit dem Kapitel V der Frühling ein – statt des wagnerischen Weichens der Winterstürme tost der Trollhättan. Durch den besagten Tunnel dringt Wasa mit vierzig Nordmännern ins Schloss.
Christian wacht und wartet, von unheilvollen Vorzeichen beunruhigt. Wiederum reduziert sich das Geschehen szenisch auf zwei benachbarte Zimmer. Doch Gustav Rosen kommt als erster zu Karin, die ihn zu ihrem Schutz gebeten hat und jetzt in den bevorstehenden Anschlag einweiht. Er ist völlig bestürzt, geht es doch um seine Ehre dem König gegenüber, während ihm ein Bekenntnis zu Schweden abverlangt wird. Als er hört, dass Gustav Wasa die Meuterer anführt, ist die Entscheidung des Eifersüchtigen gefällt: er schlägt Alarm und bringt den König vom Gang zurück in Sicherheit. Karin ruft ihren Leuten zu, dass Gustav Rosen sie verraten habe. Während des Kampfes gegen die übermächtigen Dänen entkommen die Verschwörer durch den Trollhättan-Gang. Wasa rettet erneut Karin, die sich ohnmächtig „als wäre sie eine Königin“ (S. 155) davon tragen lässt. In den Booten entdeckt man, dass Brita Stenbock im Schloss vergessen wurde, man opfert sie für Schweden, denn Gustav Rosen erscheint mit dänischen Soldaten. Er hindert diese um Karins willen jedoch daran, auf das Boot zu schießen. Karin reagiert nicht auf Rosen Rufe und entscheidet sich auf Wasas Frage, ob sie zurück wolle: „Niemals. Zwischen ihm und mir liegt ein Abgrund, wie der Trollhättan zwischen diesem Ufer und jenem. Mein Herz gehört dem nicht mehr, der Schweden verriet“ (S. 158). Wasa gegenüber verspricht sie ihre frei gewordene Hand demjenigen, der sowohl ihre Liebe hat als auch Schweden befreit.
Die Vaterländer trennen die Liebenden endgültig. Das Prinzip des Patriotismus erweist sich als stärker, ist aber nicht dasselbe. Freiheit steht gegen Vorherrschaft. Trotz der Herzenwunde, die Rosen durch Karins Zurückweisung vertieft empfängt, hat er seine nationale Identität durch die Rettung seines Souveräns behauptet. In dem Konflikt ist die Liebe die Verliererin. Doch hier führt Jensen im Kapitel VI (=Akt V) die Problematik der Unvereinbarkeit noch einen Schritt weiter und zeigt, dass die dänische Loyalität auf schwedischem Boden gegenüber einem Tyrannen nichts gilt und katastrophale Folgen hat.


Christian wütet dieweil auf Torpa, lässt alle als Verräter enthaupten und Brita Stenbock vorführen, die ihn richten, aber nicht ermorden lassen wollte. Darin hatte sie bei ihrem Willkommen das Heil Schwedens gesehen. Sie berichtet, dass Karin den Plan dazu entworfen habe. Aus zynischer Rache lässt Christian Brita als Ersatzbraut zusammen mit Rosen an den Altar ketten, das Schloss anzünden und wartet dessen Einäscherung ab. 

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