Die Ibsen-Rezeption setzte
in Deutschland erst 1869 mit der Übersetzung von „Brand“ ein.1
Frau Inger auf Oestrut, zuerst 1877 ins Deutsche übersetzt, wurde
Ende 1878 in Berlin uraufgeführt. Woher sollte Jensen das
Ibsen-Stück als Vorlage oder Ideenansatz kennen gelernt haben? Die
beiden Wege der Autoren kreuzten sich nicht, obwohl sich Ibsen ab
1864 auf dem Kontinent lange in Italien und Deutschland aufhielt.2
„Fru Inger til Östrot“ erschien fast drei Jahre nach der
Uraufführung von Mai bis August in fünf Teilen (= fünf Akten) 1857
im Feuilleton des „Illustrered Nyhedsblad“ in Christiania
(damaliger Name Oslos). Es folgte eine Sonderausgabe im selben Jahr
von 250 Exemplaren. Alle Rechte hatte Ibsen der genannten Zeitung
überlassen, so dass er das Stück 1874 umarbeitete und mit 4000
Exemplaren verlegen konnte. Unsere obigen Angaben in VII. beziehen
sich auf die zweite Ausgabe.
Jensen selber gibt
indirekt eine mögliche Querverbindung durch eigene Lektüre an,
wobei man wissen muss, dass Henrik Ibsen wie alle Norweger damals
„bokmǻl“
schrieb, d.h. die dänische Schriftsprache, die Jensen beherrschte
und pflegte. In „Das Asylrecht“ (1888) schildert er den
Literaturzirkel einer Residenz und Hauptstadt:
„Annähernd dem der
Musik gewidmeten Zeitaufwand kam indes derjenige gleich, welcher den
belletristischen Erzeugnissen der Literatur vergönnt ward. Die
Kenntnis der neuesten französischen und englischen, auch russischen,
dänischen und italienischen Romane unterlag keiner Anzweiflung, und
aus dem durchgehenden Zutreffen dieser Voraussetzung ergab sich die
Möglichkeit und der Genuß allseitigen tiefsten ästehetischen
Eindringens in die Gesetze, die Technik, den kulturhistorischen Wert
und die dichterischen Schönheiten der natürlich in ihren
Originalsprachen gelesenen epochemachenden Werke.“ (1886, S. 10)
1
Vgl. David George: Henrik Ibsen in Deutschland. Rezeption und
Revision. Göttingen 1968, S. 62 ff. sowie aktuell
Nasjonalbiblioteket. www. Ibsen.nb.no
2Ibsen
kehrte nach einem Stipendium für Rom 1864 erst 1891 ins ungeliebte
Norwegen zurück. Er hielt sich 1864-68 und 78-85 in Rom auf,
zwischendurch in Dresden 1868-75 sowie in München 1875-78 und
85-91, wo er Kontakte zum Literatenkreis um Paul Heyse hatte. In den
Briefen lassen sich keine Verbindungen finden, vgl. Henrik Ibsen.
Samlede Verker. Sekstende Bind. Brev 1844-1871. Oslo: Gyldendal
1940.
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