Da das erste Kapitel
sowohl novellistische Silhouette als dramatische Episode ist, eine
mysteriöse zudem - auf die Funktion der Landschaft kommen wir
abschließend zu sprechen -, bedarf es gerade bei einem historischen
Sujet eines erklärenden Rahmens. Den liefert Jensen nachgestellt im
halb so umfangreichen zweiten Kapitel in Form einer Chronik, die
sich auf die Vita Gustav Erichssons/Wasas stützt, wie er sie
ausführlich in der zitierten Geschichte Schwedens von Geijer
gefunden hatte. König Christian schickt seine Häscher hinter Wasa
her quer durch das winterliche Schweden. Zeitgleich dazu fällt der
Blick auf das isolierte Torpa.
Abgeleitet vom
Rivalitätsschema zwischen Gustav Rosen und Gustav Wasa breitet
Jensen jetzt auch die Lebensgeschichte Rosens aus, die historisch
allerdings auf wenigen Quellendaten beruht und von ihm in großer
Ausführlichkeit hinzu erfunden wird. Gustav Rosen war mit zehn
Jahren verwaist zu seiner schwedischen Tante Brita Stenbock gekommen
und mit Karin zusammen in großer geschwisterlicher Zuneigung
aufgewachsen, die sie füreinander bestimmt. Karin entwickelt mit den
Jahren einen glühenden Patriotismus für Schweden, von dem sie fest
und lange irrtümlich glaubt, Rosen teile ihn. Mit Erreichen de
Mündigkeit wirbt er erfolgreich um Karin und die Edelsten Schwedens
feiern ihre Verlobung, ehe er nach Dänemark geht, um seinen Besitz
in Anspruch zu nehmen. Am Trollhättan würden sie wieder zusammen
treffen. Auf dem Schiff begegnet er der Geisel Gustav Wasa. Dänemark
bereitet den Krieg gegen Schweden vor,und er darf während der
monatelangen Rüstungen deshalb nicht wieder zurück. Bei dem
Versuch, den Sund dennoch zu überqueren, wird er als Spion verhaftet
und eingekerkert.
Dadurch, dass Christian
II ihn wegen seines Ranges befreit und an den Hof holt, ergibt sich
für Jensen die Gelegenheit, anhand der historischen Quellen den
König zu schildern, den „aus den seltsamsten Widersprüchen
zusammengesetzten Fürsten aller Zeiten“ (S. 94). Daraus ist für
das Verständnis von „Karin von Schweden“ vor allem fest zu
halten, dass Christian nach dem mysteriösen Tod seiner
niederländischen Geliebten Dyveke den dänischen Adel dessen
beschuldigt und grausam verfolgt wie später den schwedischen. Jensen
meint, auch das Stockholmer Blutbad sei aus dem Hass auf den Adel
jahrelang vorher beschlossen (vgl. S. 98).
Rosen darf erst nach der
siegreichen Schlacht gegen Sten Sture zurück nach Torpa und wird zum
November nach Stockholm bestellt. Er trifft auf die über die
Niederlage Schwedens fassungslose Karin. Da der Vater im belagerten
Stockholm ist und die Mutter erblindete, laufen nunmehr die Fäden
des Widerstandes in Karins Händen zusammen. Der Krieg intensiviert
ihren Patriotismus, aber auch ihre Liebe zu Gustav Rosen. Der
dramatische Antagonismus Liebe vs. Vaterland gewinnt an Kontur.
Stockholm fällt ins schwedische Hände und die Krönung steht bevor.
Der Schluss des zweiten Kapitels knüpft zeitlich an den Beginn des
ersten: Stenbock trifft auf dem Weg nach Stockholm Rosen, der Zeuge
des Massakers geworden war.
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