Mittwoch, 31. Dezember 2014

Intermezzo: Chronik und Imagination – Kapitel II

Da das erste Kapitel sowohl novellistische Silhouette als dramatische Episode ist, eine mysteriöse zudem - auf die Funktion der Landschaft kommen wir abschließend zu sprechen -, bedarf es gerade bei einem historischen Sujet eines erklärenden Rahmens. Den liefert Jensen nachgestellt im halb so umfangreichen zweiten Kapitel in Form einer Chronik, die sich auf die Vita Gustav Erichssons/Wasas stützt, wie er sie ausführlich in der zitierten Geschichte Schwedens von Geijer gefunden hatte. König Christian schickt seine Häscher hinter Wasa her quer durch das winterliche Schweden. Zeitgleich dazu fällt der Blick auf das isolierte Torpa.
Abgeleitet vom Rivalitätsschema zwischen Gustav Rosen und Gustav Wasa breitet Jensen jetzt auch die Lebensgeschichte Rosens aus, die historisch allerdings auf wenigen Quellendaten beruht und von ihm in großer Ausführlichkeit hinzu erfunden wird. Gustav Rosen war mit zehn Jahren verwaist zu seiner schwedischen Tante Brita Stenbock gekommen und mit Karin zusammen in großer geschwisterlicher Zuneigung aufgewachsen, die sie füreinander bestimmt. Karin entwickelt mit den Jahren einen glühenden Patriotismus für Schweden, von dem sie fest und lange irrtümlich glaubt, Rosen teile ihn. Mit Erreichen de Mündigkeit wirbt er erfolgreich um Karin und die Edelsten Schwedens feiern ihre Verlobung, ehe er nach Dänemark geht, um seinen Besitz in Anspruch zu nehmen. Am Trollhättan würden sie wieder zusammen treffen. Auf dem Schiff begegnet er der Geisel Gustav Wasa. Dänemark bereitet den Krieg gegen Schweden vor,und er darf während der monatelangen Rüstungen deshalb nicht wieder zurück. Bei dem Versuch, den Sund dennoch zu überqueren, wird er als Spion verhaftet und eingekerkert.
Dadurch, dass Christian II ihn wegen seines Ranges befreit und an den Hof holt, ergibt sich für Jensen die Gelegenheit, anhand der historischen Quellen den König zu schildern, den „aus den seltsamsten Widersprüchen zusammengesetzten Fürsten aller Zeiten“ (S. 94). Daraus ist für das Verständnis von „Karin von Schweden“ vor allem fest zu halten, dass Christian nach dem mysteriösen Tod seiner niederländischen Geliebten Dyveke den dänischen Adel dessen beschuldigt und grausam verfolgt wie später den schwedischen. Jensen meint, auch das Stockholmer Blutbad sei aus dem Hass auf den Adel jahrelang vorher beschlossen (vgl. S. 98).

Rosen darf erst nach der siegreichen Schlacht gegen Sten Sture zurück nach Torpa und wird zum November nach Stockholm bestellt. Er trifft auf die über die Niederlage Schwedens fassungslose Karin. Da der Vater im belagerten Stockholm ist und die Mutter erblindete, laufen nunmehr die Fäden des Widerstandes in Karins Händen zusammen. Der Krieg intensiviert ihren Patriotismus, aber auch ihre Liebe zu Gustav Rosen. Der dramatische Antagonismus Liebe vs. Vaterland gewinnt an Kontur. Stockholm fällt ins schwedische Hände und die Krönung steht bevor. Der Schluss des zweiten Kapitels knüpft zeitlich an den Beginn des ersten: Stenbock trifft auf dem Weg nach Stockholm Rosen, der Zeuge des Massakers geworden war. 

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