Mittwoch, 31. Dezember 2014

Bibliographie


Stand: November 2014

A: Primärliteratur (nach G. A. Erdmann 1907 "Wilhelm Jensen: Sein Leben und Dichten" mit Entstehungsjahr, aktualisiert)

1866 Magister Thimotheus (1863). Paetel: Berlin.
1868 Im Pfarrdorf (1864) F. Duncker: Berlin.
1868 Lübecker Novellen (Späte Heimkehr. Aus Lübeck's alten Tagen). Heiberg:
Schleswig.
1869 Der Gesell des Meisters Mathias: Aus den Klosterannalen der Neuzeit.
Flensburg.
1870 Dido. Tragödie (1863). F. Duncker: Berlin.
1868 Novellen ( Späte Heimkehr. Aus Lübecks alten Tagen. Westwardhome)
(1868) Paetel: Berlin. [Westwardhome: 23.-26-Tausend 1906]
1869 Die Juden von Cölln. Ein historischer Roman (1865) Flensburg.
Zweite durchgesehene Auflage 1897 sowie modernisierte Fassung F.
Schätzing. Kiepenheuer& Witsch: Köln 2008.
1869 Neue Novellen (Aus dem Heu. Valenzia Gradonigo. Liebe der Stuarts,
Das Buch Ruth) (1866-68) A. Kröner: Stuttgart.
1870 Deutsches Land und Volk jenseits des Oceans (1868) Schmidt: Stuttgart.
1871 Minatka. Ein Roman aus dem dreißigjährigen Krieg (1864) G. Westermann:
Braunschweig.
1872 Karin von Schweden. Novelle (1867) Paetel: Berlin.
1868 Die braune Erica (1867) Paetel: Berlin. [später auch „Erika“]
1869 Unter heißerer Sonne. Novelle (1868) G. Westermann: Braunschweig. 2. durchgesehene Auflage 1902.
1870 Das Erbteil des Blutes. Erzählung (1866-67) F. Duncker: Berlin.
1868 Lübecker Novellen. Paetel: Berlin.
1869 Gedichte I. Paetel: Berlin.
1872 Eddystone (1869) Paetel:Berlin.
1869 Sommergeschichten (Im Riesengebirge. Sanhita. Hans und Hanne) Eckstein:
Leipzig.
1872 Aufräumen (1870) Herzbruch: Flensburg.
1870 Lieder aus dem Jahre 70 (Für Straßburgs arme Kinder) Fr. Lipperheide:
Berlin.
1870 Der Gesell des Meisters Matthias (1869) H erzbruch: Flensburg.
1872 Nordlicht I-III. Ein Novellen-Cyclus
(Karin von Schweden. Posthuma. Magister Thimotheus. Namenlos. Herbstwinden) Paetel: Berlin. Bibl. Gutenberg 2011.
1872 Trimborn und Co. Eine Weihnachts- und Sylvestererzählung (1870) Paetel:
Berlin.
1872 Juana von Castilien. Tragödie (1870) Paetel: Berlin.
1871 Lieder aus Frankreich (1870/71) Paetel: Berlin. Dto. In: „Vom Morgen zum
Abend“ 1897.
1873 Sonne und Schatten (1871) Paetel: Berlin.
1873 Die Namenlosen (1870) C. Reißner: Dresden.
1874 Nach hundert Jahren. Roman aus neuester Zeit. I-IV (1872) Hildebrand:
Schwerin.
1873 Drei Sonnen. C. Reißner: Dresden.
1874 Nymphäa (1873) Simon: Stuttgart.
1874 Die Insel (Epos) O. Janke: Berlin. (s.u. englisch)
1877 Barthenia (1874) O. Janke: Berlin
1878 Aus wechselnden Tagen. Balladen (1875). G. Stilke:..
1874 Um meines Lebens Mittag. (Terzinen 1872) B. Elischer: Leipzig.
1875 Fürst und Pfarrherr: Erzählung aus dem XVI. Jahrhunder. Leipzig.
1877 Späte Heimkehr. Paetel: Berlin.
1877 Nirwana. Ein Buch aus der Geschichte Frankreichs (1872) B. Elischer:
Leipzig. 1950.
1877 Holzwegtraum (Verse 1876) B. Elischer: Leipzig.
1878 Fragmente (1875) Schottländer: Breslau. Bd.1 Göttinger
Digitalisierungszentrum.
1879 Nach Sonnenuntergang (1876) S. Frey: Berlin.
1878 Um den Kaiserstuhl. Roman aus dem dreißigjährigen Krieg (1876).
Lüderitz'sche Verlagsbuchhandlung: Berlin.
1878 Aus Lübecks alten Tagen. Novelle.
1877 Fluth und Ebbe (1874/5) Behr's Verlag: Miau. (Zuerst unter diesem Titel als Epos mit 7000 Versen in fünf Kapiteln konzipiert, vgl. Briefwechsel Raabe
S. 212 vom 4.2.1974 u. S.222 vom Mai 74. Neuer Epos-Titel: Die Insel, s.o.)
1877 Aus dem 16. Jahrhundert (Wolfgang Ruprecht. Wiben Peters. Wilhelm von
Grumbach) Velhagen u. Klasing: Bielefeld/Leipzig.
1877 Sommergeschichten. E.J. Günther: Leipzig.
1879 Bohemund. Philinion (Verse 1877) S. Frey: Berlin.
1879 Das Pfarrhaus von Ellernbrook. Deutsche Verlagsanstalt: Stuttgart.
Frühlingsstürme (Monika Waldvogel. Ein Frühlingsnachmittag. Aus den
Banden. Ein Ton) R. Eckstein: Leipzig (öfter auch einzeln). 1889.
1883 Über die Wolken. Roman (1880) B. Elischer: Leipzig.
1881 Stimmen des Lebens. Gedichte. Ehlermann: Dresden.
1881 Vor Sonnenwende (Verse: Faira. Im Mai) Schottlaender: Breslau.
1881 Über die Vivisektion, ihre Gegner und Herrn Richard Wagner. Levy u.
Müller. Stuttgart. Neu: Google Ebooks 2009.
1882 Vom römischen Reich deutscher Nation. O. Janke: Berlin.
1883 Versunkene Welten. 2 Bde. (1881) Schottlaender: Breslau.
1883 Metamorphosen. 2 Bde. (1881) Schottlaender: Breslau.
1882 Aus stiller Zeit (I: Unter den Schatten. Lycäna Silene. II Verblichene Schrift.
Ein Traum. III Jugendträume. Im Ulmenkrug. Ein Schattenspiel. IV Der Wille des Herzens. Von der Ackerscholle) B. Elischer: Leipzig. Bd. II-IV Paetel: Berlin 1882.84.85.
1883 Vom alten Stamm (1882) O. Janke: Berlin.
1884 In Wettolsheim. Ein dramatisches Gedicht. E. Avenarius: Leipzig.
1884 Der Kampf für's Reich. Drama (1883).
1884 Der Wasunger Krieg. Lustspiel (Manuskript).
1884 Ein Skizzenbuch (Verse) Ed. Avenarius: Leipzig.
1884 Die Pfeifer vom Dusenbach. Eine Geschichte aus dem Elsaß (1882).
Elischer: Leipzig.
1883 Der Teufel in Schiltach. O. Janke: Berlin.
1885 Das Tagebuch aus Grönland I-III. O. Janke: Berlin.
1886 Augen der Seele (1884). Paetel: Berlin.
1886 Die Heiligen von Amoltern. Novelle (1884). B. Elischer: Leipzig.
1885 Am Ausgang des Reiches. B. Elischer: Leipzig.
1885 Aus den Tagen der Hansa. Historische Erzählungen (Dietwald Wernerkin.
Osmund Werneking. Dietwald Werneken). Ed. Avenarius: Leipzig. Neu:
Hesse&Becker: Leipzig 1930.
1886 Götz und Gisela. Berliner Verlags-Comptoire: Berlin.
1888 Das Asylrecht (1886). Deutsche Verlags-Anstalt: Stuttgart.
1886 In der Fremde. Roman in zwei Büchern. B. Elischer: Leipzig.
1889 Jahreszeiten. Ein Roman. 2 Bde. B. Elischer: Leipzig.
1888 Runensteine. Ein Roman. B. Elischer: Leipzig.
1888 Aus schwerer Vergangenheit. Ein Geschichten-Zyklus (Unter frommem
Schutz. Auf der Lateinschule. An der See. Über der Heide. Um ein
Menschenalter später) B. Elischer: Leipzig.
1888 Vier Weihnachtserzählungen (Eine Weihnachtsfahrt. Droben im Walde. Ein
weißes Heer. Eine Schachpartie) B. Elischer: Leipzig.
1889 Aus meiner Vaterstadt. Die persianischen Häuser. Schottlaender: Breslau.
1890 Die Kinder vom Oedacker. Roman. 2 Bde.B. Elischer: Leiüzig.
1890 Sanct-Elmsfeuer (St. Elmsfeuer. Um die Pfingstzeit. In der Kathedrale).
Reißner: Dresden u. Leipzig.
1890 Doppelleben. Reißner: Dresden u. Leipzig.
1890 Im Vorherbst. Gedichte. B. Elischer: Leipzig.
1890 Der Herr Senator. B. Elischer: Leipzig. Neu: Kessinger Publishing 2010.
1890 Diana Adnoba. Eine Schwarzwaldgeschichte von der Baar.
Reißner: Dresden u. Leipzig.
1890 Monika Waldvogel. R. Eckstein: Berlin.
1891 Der Schwarzwald. Amelangs Verlag: Leipzig.
1891 Zwei Tagebücher. Humoristische Erzählungen zum Mitnehmen in die Sommerfrische. B.Elischer: Leipzig.
1892 Im Zwing und Bann. Piersons Verlag: Dresden.
1892 Die Schatzsucher. Eine Begebenheit aus dem Jahre 1848.
Reißner: Dresden u. Leipzig.
1892 Übermächte (Der rote Schirm. Im gothischen Hause). B. Elischer: Leipzig.
1892 Die Wunder auf Schloß Gottorp. Ein Gedächtnisblatt aus dem 18.
Jahrhundert. B.Elischer: Leipzig. Felber: Weimar 1897 dto.
1892 Vom Wegrand (Kleine Bilder). B. Elischer: Leipzig.
1893 Astaroth. Mentha. Zwei Novellen aus dem deutschen Mittelalter.
Schottländer: Breslau.
1893 Alt-florentinische Tage. Eine Skizze. In: Norddeutsche Erzähler. Verlag des
Vereins der Bücherfreunde: Berlin, S. 3-112.
1893 Jenseits des Wassers. I-II. Reißner: Dresden u. Leipzig.
1893 Um den Wildsee. Schwarzwaldnovelle in Versen. Pierson: Leipzig.
1894 Auf der Feuerstätte. I-III. Reißner: Dresden u. Leipzig.
1894 Asphodil. Ein Roman. B.Elischer: Leipzig.
1894 Heimkunft. Reißner: Dresden u. Leipzig.
1894 Holzwegtraum. Ein Sommernachtsgedicht. Felber; Weimar.
1895 Chiemgau-Novellen (Die Glocken von Greimharting. Hunnenblut. Aus der
vergessenen Zeit“). B.Elischer: Leipzig.
1895 Von Jenseits der Alpen (Ein Winter in Sizilien. Alt-Florentinische Tage. Auf
der Brücke). Reißner: Dresden u. Leipzig.
1895 Die Katze. Reißner: Dresden u. Leipzig.
1895 Die Erbin von Helmstede. Reclam: Leipzig.
1896 Auf der Ganerbenburg. Eine tragikomische Historie. B. Elischer: Leipzig.
1896 Versunkene Welten. Historischer Roman. Schottlaender: Breslau.
1896 Der Hohenstaufer Ausgang. Reißner: Dresden u. Leipzig.
1897 Vom Morgen zum Abend. Gedichte. B.Elischer: Leipzig.
1897 Ein Skizzenbuch. E. Avenarius: Leipzig.
1897 In der Fremde. Roman. B. Elischer: Leipzig.
1897 Luv und lee. B. Elischer: Leipzig.
1897 Aus See und Sand. Reißner: Dresden u. Leipzig.
1897 Der Nachbar. Vita: Berlin.
1898 Eine Sommermondnacht. Reißner: Dresden u. Leipzig.
1898 Das Bild im Wasser. Reißner: Dresden u. Leipzig.
1898 Ein Heilmittel. Schottlaender: Breslau.
1898 Iris und Genziane. Schottlaender: Breslau.
1898 Vom Schreibtisch und aus dem Atelier: aus meinen Kriegsjahren.
1899 Um die Wende des Jahrhunderts.1789-1806. Reißner: Dresden u. Leipzig.
1899 Die Sehnsucht (Unter der Linde. Der Oleanderschwärmer. In der
Schluchtmühle) Reißner: Dresden u. Leipzig. Neu: General Books 2012.
1900 Die Rosen von Hildesheim. Roman aus der Stauferzeit. B. Elischer: Leipzig.
1900 Nacht- und Tagesspuk (Der verwunschene Garten. Eine Wette) Reißner:
Dresden u. Leipzig.
1900 Im 18.Jahrhundert (Der goldene Vogel. Eine soirée des ancien régime)
B. Elischer: Leipzig. Neu: J. Latka: Bonn 1988.
1900 Durch den Schwarzwald. Amelangs: Leipzig.
1900 Im Vorherbst. Gedichte. B.Elischer: Leipzig.
1901 Der Tag von Stralsund. Ein Bild aus der Hansezeit. Hesse's Verlag: Leipzig. Neu: Gutenberg-Projekt.
1901 Die Fränkische Leuchte. Reißner: Dresden u. Leipzig.
1901 Heimat. Reißner: Dresden u. Leipzig.
1901 Wilhelm Raabe. Goose u. Tetzlaff: Berlin.
1901 Eine Schuld. Reclam: Leipzig.
1902 Der Schleier der Maja. Reißner: Dresden u. Leipzig.
1902 Brandenburg'scher Pavillon hoch! Eine Geschichte aus Kurbrandenburgs
Kolonialzeit. Emil Felber: Berlin.
1903 Gradiva. Ein pompejanisches Phantasiestück. Reißner: Dresden und Leipzig.
1903 Mutterrecht: Im Talgang des Kaiserstuhls. Schwetsche u. Sohn: Berlin. Neu:
Freiburg: Robach 1993.
1903 Mettengespinst. Koch: München.
1904 Gäste auf Hohenaschau. Reißner: Dresden u. Leipzig.
1904 Vor drei Menschenaltern. Ein Roman aus dem holsteinischen Land.
Reißner: Dresden u. Leipzig.
1905 Tamms Garten. Polz: Leipzig.
1905 Vor der Elbmündung. Reißner: Dresden u. Leipzig.
1905 In maiorem Dei gloriam. Reißner: Dresden u. Leipzig.
1905 Unter der Linde. Koehler und Amelang: Leipzig.
1906 Nordsee und Hochland (Auf Fanö und Manö. Levana) B.Elischer: Leipzig.
1906 Unter der Tarnkappe. Ein schleswig-holsteinischer Roman aus den Jahren
1848-1850. Reißner: Dresden u. Leipzig.
1908 König Friedrich. Ein geschichtlicher Roman I-III. Paetel: Berlin.
1909 Deutschland in Not (Deutsche Männer). Geschichtlicher Roman aus dem
Jahre 1809. Gretheim: Leipzig. Neu: 1919.1920.
1909 Der Ulmenkrug. Ein Schattenspiel (= Deutsche Novellen III). Reißner:
Leipzig. [schon in: Aus stiller Zeit 1882]
1909 Die Nachfahren. Ein geschichtlicher Roman. B.Elischer: Leipzig.
1911 Fremdlinge unter den Menschen. Reißner: Dresden u. Leipzig.Neu: Ebooks.
1912 Auf dem Vestenstein. Historischer Roman. Becker: Leipzig.
1812 Droben im Wald. Berlin: Schrey.


Ankündigung Verlag Emil Felber: Berlin (nicht chronologische Reihenfolge; o.J. aber nach 1900)
Wilhelm Jensen, Ausgewählte Werke in 10 Bänden;
Chiemgau-Novellen/Karin von Schweden
Der Pfeifer vom Dusenbach
Versunkene Welten
Aus den Tagen der Hansa
Die Rosen von Hildesheim
Aus schwerer Vergangenheit
Im Zwing und Bann
Am Ausgang des Reiches (Ibidem 8. Auflage 1927)
und 10. Nirwana (Ibidem 3. durchgesehene Auflage 1901)

2014 Gesammelte Werke Wilhelm Jensens (Kindle Edition) (E-Book 3681 Seiten mit
folgenden Werken:)
Nach Sonnenuntergang
Karin von Schweden
Novelle
Im Frühlingswald
Gradiva
Der Tag von Stralsund
Auf dem Vestenstein
(Motto)
Aus See und Sand
Die Pfeifer vom Dusenbach
Eine Schachpartie
Hunnenblut
Vor der Elbmündung

E.Hoppe/H.Opppermann: Wilhelm Raabe. Sämtliche Werke. Ergänzungsband 3: Briefwechsel Raabe-Jensen. Göttingen: Vandenhoeck 1970.




Englisch:


1881 Fair Isle – A Tale in Verse. Translated from the German by a Shetlander.
William Peace and Son: Kirkwall, Orkney. Nabo Press ISBN 1293507431
1882 Karin. From the German of Wilhelm Jensen. By Willie A. Mercur. Hiram
T. Mercur, Publisher. Towanda, PA.
1896 Karine. A Story of Swedish Love. Trans. Emma A. - A.C. McClurg: Chicago.
2008 Gradiva: A Pompeian Fancy (trad. 1918). Kessinger Publishing.
2009 Karin a Story of Swedish love. Translated by Emma A. Endlich. BiblioBazaar.
ISBN 9981117144306
1895? Runic Rocks. A North Sea Idyl. Trad. E.Suckling/G.Fiedler. Neu 2010:
Kessinger Publishing. ISBN 9781437232752


Französisch:

1890 Louis de Hessem (Flins sur Seine): Übersetzungen ins Franz. Vgl
Briefwechsel Raabe, S. 451.
1983 Jean Bellemin-Noël: Gradiva au pied de la lettre: relecture du roman de
W. Jensen dans une nouvelle traduction. Paris.
1991 Jean Bellemin-Noël: Gradiva, fantaisie pompéienne. Ds. Sigmund Freud: Le
délire et les rêves dans la Gradiva de W. Jensen. Gallimard: Folio-essais, p.
29- 135. Ibidem p. 253-259: trois lettres de Jensen à Freud.
(2 Novellen aus W. Jensen: Übermächte. Berlin: Felber 1892)

1999 W. Jensen: Dans la Maison Gothique. Traduction Raymond Prunier.
Gallimard: Connaissance de l'Inconscient.

2011 W. Jensen: L'ombrelle rouge. Trad. Jean Bellemin-Noël. Paris: Imago.

Niederländisch:
1902 Uit het Schwarzwald. Krusemann & Tjeenk Willink: Haarlem.

Dänisch:

o.J. Wilhelm Jensen: Fortallinger. Book on Demand. ISBN 5518922698

XIII. Die Landschaft

Das Ende des Dreieckskonflikts zeigt eine eher schwache Karin im Vergleich zu ihrer starken Entschlossenheit im erfolgreichen Freiheitskampf gegen Christian II., aus dem letztlich aber Wasa siegreich hervorgeht. Rosen ist als Verlierer ein Antiheld, der innerlich zerstört überlebt. Das ist in anderen Novellen gerade auch in „Nordlicht“ z.B. in „Magister Thimotheus“ bei Jensen nicht typisch. Geschwisterlich enge Beziehungen wie ebendort in „Posthuma“ münden schon im Frühwerk ohne psychoanalytische Dimensionen in Katastrophen, als würden sie bestraft.
Auf einer anderen, öfter im Vorbeigehen angesprochenen Ebene bleibt Karin dennoch die eindrucksvollste Gestalt in Jensens Novelle, weil er mit ihr verbunden die ganze Poesie der elementaren Natur Schwedens vor Augen führt. Er lässt sie mythologisiert aus der Trollhättan-Landschaft entstehen, und der Leser sieht mit ihren Blicken im Jahresablauf Wasser, Wald und Himmel - die Zeichen gebende, bergende, beseelte Natur ihrer Heimat. Wilhelm Jensen hat gut daran getan, ein ursprünglich anzunehmendes Drama „Karin von Schweden“ episch aufzulösen, denn nur so kann die Poetisierung sich deskriptiv voll entfalten. Um ihretwillen fokussiert er den geschichtlichen Ablauf und die Topologie, damit das Wesen der nordischen gewaltigen Landschaft mit ihren Elementen in der jeweiligen jahreszeitlichen Beleuchtung sich darin manifestieren kann. Sie ist konstitutiv für die Identität der Personen, besonders für Karins Charakterisierung. Sie verkörpert in großer Bodenständigkeit die selbständige politische Entscheidung für die Freiheit, ohne - und dies zeigt der Schlussteil - überzogen idealisiert zu werden. Jensen legt mit dieser einheitlichen Sehweise die Grundlage für ein literarisches Konzept, dass er über Jahrzehnte in anderen Landschaften in historischer Perspektive sehr erfolgreich fortsetzt.
Die französische Übersetzung stößt gerade bei dieser Poetisierung, die ja eine sprachliche in Laut und Bild ist, an ihre Grenzen. Schon im zweiten Satz kommen die stürzenden Wasser des Trollhättan lautlich selber zu Wort: „sie rauschen seit tausend, tausend Jahren,.“ Dieses Rauschen mit dem Verb „gronder“ wieder zu geben, vermittelt nur einen annähernden Eindruck ebenso wie die alliterierenden Doppelverben die malerische Seite in der Fremdsprache nur andeuten. Und die tiefrote stille Mahnung des abendlichen Mälarsees, die vom Jubel in der Hauptstadt „abstach“, wird der Doppelbödigkeit der dichterischen Sprache mit „contraster“ nicht gerecht, denn gerade in der ambivalenten Hervorhebung am Absatzende kündigt mit dieser rhetorischen Prolepse die wissende und warnende Natur auch das Massaker („abstechen“ mit Dolchen) von Stockholm an. Das Gesamtbild, zu dem immer Details zu ergänzen wären, entsteht in der Imagination, kraft derer der Autor Jensen zum Gang durch die Geschichte ausgewählter Naturlandschaften einlädt:

Was niemand schrieb, das meldet euch der Dichter.
Wo Dunkel sich auf lang Verschollnes streckt,
Hellt er die Nacht; verworrner Kunde Schlichter,
Entwirrt er deutend sie. Vom Schlaf erweckt
Die Toten er. Verkündet als Berichter,
Was ihre Brust dem Blick ihm aufgedeckt.
Im Zwange frei, belebt er zum Gedichte
Mit warmem Menschenherzschlag die Geschichte.

(Motto zu Jensens letztem Roman „Auf dem Vestenstein“ 1912, zuvor schon 1896 in „Der Hohenstaufer Ausgang“)

In Wilhelm Jensens „Karin von Schweden“ dominiert die Poetisierung in den Naturpassagen gegenüber dem historischen Geschehen, das sich diesem Effekt bisweilen unterordnet und zur Steigerung der Dramatik sogar umstrukturieren lässt. Das verbindet sich in den späteren Romanen, die nicht dunkel Verschollenes oder exotische Fernen erhellen, nicht mehr so oft zu der aufgezeigten suggestiven Einheit, weil vaterländische Geschichte dem deutschen Leser stärker vertraut war. Vielleicht weicht er gerade deswegen nicht nur in entfernte Jahrhunderte, sondern auch in Grenzräume wie z.B. die Nordseeränder aus, wo seine elementar erlebte grandiose Imagination zu Hause ist und das Zeitgeschehen dort störend in den Rhythmus von Natur und Mensch einbricht.


Wilhelm Jensen 1872



XII. Finale

Die letzten drei der neun Kapitel sind die narrative Geschichte des schwedischen Befreiungskampfes, den Jensen entscheidend verkürzt, aber durch direkte Quellenzitate große Authentizität verleiht. Er scheint diese Verkürzung durch den ausgedehnten Anteil der Erzählzeit gegenüber dem Dramen-Teil im Gesamttext ausgleichen zu wollen. Gustav Wasa steht erfolgreich im Mittelpunkt und ist bereits in der Krönungsstadt Uppsala angekommen. Er erweist sich als Gegenbild zu Christian mit musterhafter Ordnung und nordischer Ehrbarkeit (vgl. S. 191). Karin hatte ihn während ihrer langen Flucht nach Norden bisher nicht wieder gesehen. Auch ihr Herz war wie Torpa zu Asche geworden (S. 200). Schweden war zu diesem Zeitpunkt noch nicht ganz befreit, denn die Dänen behaupteten sich in Stockholm.. Wasa lässt Karin mit der geretteten Brita nach Uppsala kommen. Dort zeigt sich Karin unentschieden, flieht vor Wasa in die Natur, wo er sie schließlich zur Rede stellt und ihr ihr Wort zurück gibt, weil er nicht länger auf sie warten will. Die Rollen im Liebeskonflikt mit Rosen haben sich verkehrt: jetzt trifft die Zurückweisung Karin selber. Sie braucht Wochen für eine Entscheidung, begibt sich dann aber zu Wasa; „Ich will Dir Mutter und Schwester sein“ (S. 2008, Ende Kap. VII). Keine Geliebte? Hat sie resigniert?
Jensen gestaltet dieses Verhältnis abgelöst vom historischen Vorbild und zeitlich verschobenen Kontext psychologisch frei.
Mit einem wunderschönen nordischen Herbst rundet er das Schreckensjahr positiv ab (Kap. VIII und IX). Gustav wird zum König gewählt, Karin ist die Königsbraut an seiner Seite. Im Dom von Uppsala stehen sie vor dem Altar, als die Botschaft von der Übergabe Stockholms eintrifft: Schweden ist frei und damit für Karin die wichtigste Bedingung für ihre Bindung an Wasa im letzten Augenblick erfüllt, obwohl sie Gustav Rosen in der Menge wahrnimmt und sich jäh an ihre Liebe erinnert und mit dem mysteriösen Aufschrei: „Du bist der Trollhättan“ besinnungslos in die Arme ihres Gatten fällt (S. 222). Wasa tadelt öffentlich die Mutter, die Schatten von Torpa geweckt zu haben. Auch ein Religionswechsel kündet sich an: der neue König trinkt auf das Wohl Martin Luthers. Beim Festmahl würdigt er sogar den ebenfalls überlebenden Gustav Rosen, den er als Gesandten zum deutschen Kaiser Karl mit der erfolgreichen Bitte um Beistand geschickt hatte.
Mit dem letzten, dem neunten Kapitel beginnt die segensreiche Zeit des Königs Gustav Wasa, dessen historische Durchsetzungsschwierigkeiten hier keinen Raum haben. Karin entweicht oft ans Meer, auf den Hügel, wo Gustav Wasa sie schmerzvoll verlassen hatte. Dort findet der todtraurige Gustav Rosen sie, von dem sich Karin endgültig verabschiedet. Auf Rosens Frage, ob sie Wasa liebe, sagt sie schließlich unbeirrt; „Ja“ (S. 237). Wie irr umklammert er sie daraufhin. „Doch sie löste sich kraftvoll aus seinen Banden“ (S. 237). Mit dieser symbolisch-pathetischen Geste findet sie in ihre neue Rolle, ohne freilich Rosen jemals vergessen zu können. Die Wasser des Mälarsees umströmen dies Ende, leiten zurück zum Trollhättan des Beginns und mit ihnen rauschen Tage und Jahrhunderte heran, die die persönlichen Probleme vergessen lassen. 

XI. Bluthochzeit

Kompositorisch fällt mit dem Beginn des dritten Kapitels die Mitte des Textes zusammen. Schweden liegt von Christian und dem Winter gebändigt wie tot da. Die Verlobten scheinen im modernen Sinne die Geschehnisse zu verdrängen. Rosen fühlt zwar bittere Enttäuschung über die nächtliche Szene auf Torpa, deren Mitwisser er wurde, Karin aber begreift in ihrer „ahnungslosen Unschuld“ (S. 117) nichts von seinem Loyalitätskonflikt und seiner Eifersucht, die der auktoriale Erzähler allgemein kommentiert (vgl. 120 f.). Gerüchte verbreiten sich über einen Aufstand in Darlana unter Führung Wasas, über Enthauptungen sogar von Kindern und einer vermeindlichen Loyalität Stenbocks, die sich auch auf die Anwesenheit Rosens gründet. Am 1. Mai soll endlich Hochzeit sein und Christian II. persönlich an der Feier teilnehmen.
Nach dem historischen Rückblick in Kapitel II wird die Haupthandlung bzw. der Hauptkonflikt wieder aufgenommen. Lässt man Kapitel II in der Aktzählung aus, würde sich bei dem Hochzeitsthema in Kapitel V ein vierter Akt mit der Peripetie erwarten lassen: diese ist der missglückte nächtliche Anschlag auf Christian, der zur Katastrophe führt (Kap. VI = Akt V). Novellistisch fällt damit eine Dublette des zweiflügeligen Falkentopos zusammen. In Kapitel VII setzt Jensen als Historiker wieder ein und schildert verkürzt auf ein Jahr den Machtkampf Wasas bis zur Krönung, die historisch erst drei Jahre später erfolgen sollte. Es spricht vieles dafür, dass die Dramatik Jensen stärker beschäftigt als die historische Faktizität. Das dritte künstlerische Mittel, die Parallelsetzung von Jahreszeiten und Naturphänomenen zum historischen Geschehen poetisiert stilistisch den Gesamtablauf zu einer Einheit von Geschichte und Natur.
Christian II (Kap. IV) zieht gut gelaunt mit großem Gefolge heran, wird respektvoll empfangen und mit zwölf Rittern im Schloss einquartiert. Sogar Brita Stenbock heißt ihn willkommen und wünscht, dass sein Verweilen im Hause Schweden zum Heile gereiche (S.133). Karin erscheint in vollendeter Schönheit erst zur Abendtafel und Christian plaziert sie neben sich. Während der ausgelassenen Mahles, bei dem man besorgt fragt, ob Stenbock nicht seine Tochter Christian zugedacht habe, verabredet der trunkene König einen nächtlichen Besuch bei Karin – eine Stunde, nachdem alles zur Ruhe gegangen (S. 140).
Nachts bricht mit dem Kapitel V der Frühling ein – statt des wagnerischen Weichens der Winterstürme tost der Trollhättan. Durch den besagten Tunnel dringt Wasa mit vierzig Nordmännern ins Schloss.
Christian wacht und wartet, von unheilvollen Vorzeichen beunruhigt. Wiederum reduziert sich das Geschehen szenisch auf zwei benachbarte Zimmer. Doch Gustav Rosen kommt als erster zu Karin, die ihn zu ihrem Schutz gebeten hat und jetzt in den bevorstehenden Anschlag einweiht. Er ist völlig bestürzt, geht es doch um seine Ehre dem König gegenüber, während ihm ein Bekenntnis zu Schweden abverlangt wird. Als er hört, dass Gustav Wasa die Meuterer anführt, ist die Entscheidung des Eifersüchtigen gefällt: er schlägt Alarm und bringt den König vom Gang zurück in Sicherheit. Karin ruft ihren Leuten zu, dass Gustav Rosen sie verraten habe. Während des Kampfes gegen die übermächtigen Dänen entkommen die Verschwörer durch den Trollhättan-Gang. Wasa rettet erneut Karin, die sich ohnmächtig „als wäre sie eine Königin“ (S. 155) davon tragen lässt. In den Booten entdeckt man, dass Brita Stenbock im Schloss vergessen wurde, man opfert sie für Schweden, denn Gustav Rosen erscheint mit dänischen Soldaten. Er hindert diese um Karins willen jedoch daran, auf das Boot zu schießen. Karin reagiert nicht auf Rosen Rufe und entscheidet sich auf Wasas Frage, ob sie zurück wolle: „Niemals. Zwischen ihm und mir liegt ein Abgrund, wie der Trollhättan zwischen diesem Ufer und jenem. Mein Herz gehört dem nicht mehr, der Schweden verriet“ (S. 158). Wasa gegenüber verspricht sie ihre frei gewordene Hand demjenigen, der sowohl ihre Liebe hat als auch Schweden befreit.
Die Vaterländer trennen die Liebenden endgültig. Das Prinzip des Patriotismus erweist sich als stärker, ist aber nicht dasselbe. Freiheit steht gegen Vorherrschaft. Trotz der Herzenwunde, die Rosen durch Karins Zurückweisung vertieft empfängt, hat er seine nationale Identität durch die Rettung seines Souveräns behauptet. In dem Konflikt ist die Liebe die Verliererin. Doch hier führt Jensen im Kapitel VI (=Akt V) die Problematik der Unvereinbarkeit noch einen Schritt weiter und zeigt, dass die dänische Loyalität auf schwedischem Boden gegenüber einem Tyrannen nichts gilt und katastrophale Folgen hat.


Christian wütet dieweil auf Torpa, lässt alle als Verräter enthaupten und Brita Stenbock vorführen, die ihn richten, aber nicht ermorden lassen wollte. Darin hatte sie bei ihrem Willkommen das Heil Schwedens gesehen. Sie berichtet, dass Karin den Plan dazu entworfen habe. Aus zynischer Rache lässt Christian Brita als Ersatzbraut zusammen mit Rosen an den Altar ketten, das Schloss anzünden und wartet dessen Einäscherung ab. 

Intermezzo: Chronik und Imagination – Kapitel II

Da das erste Kapitel sowohl novellistische Silhouette als dramatische Episode ist, eine mysteriöse zudem - auf die Funktion der Landschaft kommen wir abschließend zu sprechen -, bedarf es gerade bei einem historischen Sujet eines erklärenden Rahmens. Den liefert Jensen nachgestellt im halb so umfangreichen zweiten Kapitel in Form einer Chronik, die sich auf die Vita Gustav Erichssons/Wasas stützt, wie er sie ausführlich in der zitierten Geschichte Schwedens von Geijer gefunden hatte. König Christian schickt seine Häscher hinter Wasa her quer durch das winterliche Schweden. Zeitgleich dazu fällt der Blick auf das isolierte Torpa.
Abgeleitet vom Rivalitätsschema zwischen Gustav Rosen und Gustav Wasa breitet Jensen jetzt auch die Lebensgeschichte Rosens aus, die historisch allerdings auf wenigen Quellendaten beruht und von ihm in großer Ausführlichkeit hinzu erfunden wird. Gustav Rosen war mit zehn Jahren verwaist zu seiner schwedischen Tante Brita Stenbock gekommen und mit Karin zusammen in großer geschwisterlicher Zuneigung aufgewachsen, die sie füreinander bestimmt. Karin entwickelt mit den Jahren einen glühenden Patriotismus für Schweden, von dem sie fest und lange irrtümlich glaubt, Rosen teile ihn. Mit Erreichen de Mündigkeit wirbt er erfolgreich um Karin und die Edelsten Schwedens feiern ihre Verlobung, ehe er nach Dänemark geht, um seinen Besitz in Anspruch zu nehmen. Am Trollhättan würden sie wieder zusammen treffen. Auf dem Schiff begegnet er der Geisel Gustav Wasa. Dänemark bereitet den Krieg gegen Schweden vor,und er darf während der monatelangen Rüstungen deshalb nicht wieder zurück. Bei dem Versuch, den Sund dennoch zu überqueren, wird er als Spion verhaftet und eingekerkert.
Dadurch, dass Christian II ihn wegen seines Ranges befreit und an den Hof holt, ergibt sich für Jensen die Gelegenheit, anhand der historischen Quellen den König zu schildern, den „aus den seltsamsten Widersprüchen zusammengesetzten Fürsten aller Zeiten“ (S. 94). Daraus ist für das Verständnis von „Karin von Schweden“ vor allem fest zu halten, dass Christian nach dem mysteriösen Tod seiner niederländischen Geliebten Dyveke den dänischen Adel dessen beschuldigt und grausam verfolgt wie später den schwedischen. Jensen meint, auch das Stockholmer Blutbad sei aus dem Hass auf den Adel jahrelang vorher beschlossen (vgl. S. 98).

Rosen darf erst nach der siegreichen Schlacht gegen Sten Sture zurück nach Torpa und wird zum November nach Stockholm bestellt. Er trifft auf die über die Niederlage Schwedens fassungslose Karin. Da der Vater im belagerten Stockholm ist und die Mutter erblindete, laufen nunmehr die Fäden des Widerstandes in Karins Händen zusammen. Der Krieg intensiviert ihren Patriotismus, aber auch ihre Liebe zu Gustav Rosen. Der dramatische Antagonismus Liebe vs. Vaterland gewinnt an Kontur. Stockholm fällt ins schwedische Hände und die Krönung steht bevor. Der Schluss des zweiten Kapitels knüpft zeitlich an den Beginn des ersten: Stenbock trifft auf dem Weg nach Stockholm Rosen, der Zeuge des Massakers geworden war. 

X. Karin von Schweden, Kapitel I

Das Geschehen setzt zwei Tage nach dem Stockholmer „Blutbad“ vom 9. November 1520 ein, als der Sieger Christian II. von Dänemark den schwedischen Adel zur Krönung nach Stockholm geladen hatte, dort verurteilen und fast ausnahmslos ermorden ließ. Es beschränkt sich zeitlich auf einen Tag an den südschwedischen Wasserfällen von Trollhättan und auf dem von Jensen in ihre Nähe verpflanzten Schloss Torpa der Adelsfamilie Stenbock. Die junge Karin, wegen ihrer märchenhaften Schönheit „Rose von Trollhättan“ genannt, wird bei ihrer lebensgefährlichen Verfolgung eines Schmetterlings von einem Fremden vor dem drohenden Absturz in die Strudel gerettet. Dieser Fremdling gibt sich nicht zu erkennen, ist jedoch auf der Flucht vor den Dänen und bittet inkognito um ein Nachtlager. Karin führt ihn heimlich ins Schloss und überlässt ihm ihr Schlafzimmer, das an dasjenige ihrer blinden Mutter Brita anschließt. Überraschend tauchen abends Karins Vater Gustav Stenbock und ihr Verlobter Gustav Rosen auf. Der Vater ist wegen einer Verletzung nicht bis Stockholm gelangt. Der in Torpa aufgewachsene, schwedisch naturalisierte Däne Rosen hat das Massaker mit erlebt und berichtet davon.
Plötzlich erscheinen dänische Soldaten. Stenbock erhält wegen Nichterscheinens in Stockholm Hausarrest und man will das Schloss durchsuchen. Als die Reihe an das Schlafgemach Karins kommt, gibt sich Rosen den Dänen zu erkennen und interveniert: er gebe sein Wort, dass niemand sich nebenan im Schlafzimmer seiner Braut aufhalte. Die Dänen erkennen ihren hochrangigen Landsmann, entschuldigen sich und Rosen sieht selber nach und entdeckt in dem leeren Zimmer zu seiner Bestürzung Stiefelspuren auf dem Bett und im Gang. Karin hatte inzwischen den Verfolgten zu dem unterirdischen Gang nach Trollhättan geführt, während Rosen die Truppe herbei ruft. Der Verfemte verlangt von Karin einen Kuss für ihre Rettung am Wasserfall und erzwingt ihn in dem Augenblick, als Gustav Rosen sie entdeckt und in ihm den einzigen schwedischen Adligen, Gustav Erichsson, erkennt, der sich der Einladung widersetzt hatte. Rosen, am Rande der Verzweiflung, wünscht, er wäre nie zurück gekommen und lässt jenen um sich und Karins willen entfliehen. Den Soldaten versichert er, es sei kein Mann im Zimmer verborgen gewesen. Die Verlobten sind in dieser „sonderbaren“ Situation unfähig, sich einander zu erklären.

Und wo ist der Falke?
Die zweite Rettung, d.h. die Gustav Erichssons durch Karin, stürzt Gustav Rosen jäh und unvermutet in einen Loyalitätskonflikt zwischen seiner Braut und seinem König, vertreten durch den dänischen Durchsuchungstrupp. Er fühlt sich von Karin verraten, wobei er selber Verrat begeht, indem er sie und Erichsson nicht ausliefert. Karins Betrug trifft ihn ins Herz, macht ihn hilf- und kraftlos. Plötzlich sieht er sich vor einem Rivalen gleichen Namens. Karins Liebe scheint verloren.
Aber dieser Novellentopos wird nicht explizit. Der Konflikt zwischen Liebe und Vaterland kommt nicht recht zu Bewusstsein, ist eher Karins spontane Geste der Dankbarkeit und Verteidigung als eine Entscheidung gegen Rosen. Dennoch prägt dies Ereignis hinfort die Charaktere und reift besonders bei Karin zu einem politischen Engagement heran, um in einer Verrat-Dublette in Kapitel V eine bewusste Entscheidung herbei zu führen.

Man muss einräumen, dass die Falkentheorie hier etwas zu subtil thematisiert ist, als dass sie eindeutig dies erste Kapitel als Novelle kennzeichnet und vor allem damit nicht abschließt. .1 Ist es nicht Gustav Rosen, der die Herzenswunde erhält, und nicht Karin, die Rose von Trollhättan, nach der die Novelle ja benannt ist?
Eine dominantere Struktur leitet sich aus der ansteigenden Spannung des Geschehens ab, mit der Wilhelm Jensen gut vertraut war: es ist eine theatral-dramatische, nicht zuletzt im Blick auf die Ideenquelle Ibsen mit der Situation des ersten Aktes von „Fru Inger av Oestrod“. Das Schloss Torpa repräsentiert mit den beiden benachbarten Räumen ein reduzierte Szenenbild des nationalen Geschehens mit allen wichtigen Kontrahenten – vorerst ohne Christian II. - im schwedischen Freiheitskampf, in den das zentrale Liebespaar hineingezogen wird. Der Konflikt zwischen der Liebe zueinander und der zum Vaterland ist ein häufiger Antagonismus im französischen klassischen Theater. An die Stelle der älteren, handlungsunfähigen Inger bei Ibsen tritt nunmehr verjüngt Karin und rettet Erichsson, der niemand anderes ist als Gustav Wasa, der spätere frei gewählte König Schwedens und ihr künftiger Gemahl. Es ist die epische Exposition eines sich zuspitzenden Königsdramas und im Hinblick auf Karin und Rosen das Charakterdrama der sich in der Staatsaffäre und im Rivalitätskonflikt verlierenden Protagonisten des Liebesplots. Exeunt.

1Jensens Umgang mit literarischen Doktrinen kann sehr unbefangen sein und bis zur Ironie gehen. In „Deutschland in Not“ (1909) konstruiert er eine Dreiecksgeschichte zwischen dem Herzog von Braunschweig, einem Hans Gibich und einer jungen Mitkämpferin gegen die Franzosen, eine geborene Falke, hier „Falconia“ genannt, in die Gibich hoffnungslos verliebt ist, weil offenbar der Herzog sie erwählt hatte und mit nach England nehmen wollte. Erst im letzten Augenblick vor der Überfahrt, als Gibich sie für verloren gibt, klärt ihn der Herzoig darüber auf, dass er sie unter diesem Vorwande für ihn mitgeführt habe und ihrer Liebe nicht im Wege stehe.   

IX. Die literarische Form

Karin von Schweden“ trägt den Zusatz: Novelle. Der Text ist mit rund 230 Seiten eigentlich zu lang für diese Gattung, die im goethischen Sinne eine „unerhörte Begebenheit“ zu schildern hat, während sich hier eine ganze Reihe von Ereignissen innerhalb eines Jahres in neun Kapitel reiht. Vordergründig bildet unser Text den ersten Band der Sammlung „Nordlicht“, deren Folgebände jeweils zwei Novellen enthalten, auf die die traditionellen Kriterien durchaus zutreffen. Somit hätte Jensen um der Einheit willen auch „Karin von Schweden“ so klassifiziert, wenn nicht aus der damals neu entflammten Novellen-Debatte weitere Gesichtspunkte zu Tragen kommen.
Jensens Münchener Freund Paul Heyse, der 1910 als erster deutscher Autor den Nobelpreis erhalten sollte, hatte 1871 mit dem ersten Band „Deutscher Novellenschatz“ eine Novellenanthologie begonnen, die im Laufe der Jahre auf über siebentausend Seiten anwachsen sollte. In seiner Einleitung geht er auf die Gattungsgeschichte auch unter dem fördernden Einfluss der modernen Presse und ihrer Feuilletons ein.1 Dabei versucht er nachzuweisen, dass Novelle und Roman sich nicht durch das Längenmaß unterscheiden (S. VI). Der Novelle sei es vergönnt, den Eindruck auf einen Punkt zu sammeln und dadurch zur höchsten Gewalt zu steigern und „mit einem raschen Schlage uns das innerste Herz zu treffen“ (ebda.). Die Novelle habe in einem einzigen Kreise einen einzelnen Konflikt als Ereignis (S.VII). Das Spezifische verrate schon die bloße Anlage, und hier prägt Heyse einen ersten eigenen Begriff aus der Malerei: eine starke Silhouette, die sich inhaltlich auf wenige Zeilen zusammenfassen lasse wie bei den alten Italienern, die ihren Novellen kurze Überschriften voranstellten. Heyse nimmt als Beispiel Boccaccios Decamerone V, 9:

Federigo degli Alberighi liebt, ohne Gegenliebe zu finden, in ritterlicher Werbung verschwendet er all seine Habe und behält nur noch einen einzigen Falken; diesen, da die von ihm geliebte Dame zufällig sein Haus besucht und er sonst nichts hat, ihr ein Mahl zu bereiten, setzt er ihr bei Tische vor. Sie erfährt <später>, was er getan, ändert plötzlich ihren Sinn und belohnt seine Liebe, indem sie ihn zum Herrn ihrer Hand und ihres Vermögens macht“ (S. VII/VIII)
Auch wenn im damaligen vielbrüchigen modernen Kulturleben sich eine so einfache Form nicht für jedes Thema finden lasse, so sei doch zuerst zu fragen, wo „der Falke“ sei, das Spezifische, das diese Geschichte von tausend anderen unterscheidet.
(Vgl. S.VIII)

Um Jensens „Karin von Schweden“ im Hinblick auf diese Kriterien zu überprüfen, bedarf es einer Inhaltsskizze, zunächst des ersten Kapitels von 70 Seiten, das vielleicht in sich eine Novelle sein könnte, die später historisch eingebettet wurde.

1Vgl. Paul Heyse u. Hermann Kurz: Deutscher Novellenschatz. Bd. 1. München: Oldenbourg 1871, S. V-XXII und bes. S. 7 f.

VIII. Jensen als Leser Ibsens

Die Ibsen-Rezeption setzte in Deutschland erst 1869 mit der Übersetzung von „Brand“ ein.1 Frau Inger auf Oestrut, zuerst 1877 ins Deutsche übersetzt, wurde Ende 1878 in Berlin uraufgeführt. Woher sollte Jensen das Ibsen-Stück als Vorlage oder Ideenansatz kennen gelernt haben? Die beiden Wege der Autoren kreuzten sich nicht, obwohl sich Ibsen ab 1864 auf dem Kontinent lange in Italien und Deutschland aufhielt.2 „Fru Inger til Östrot“ erschien fast drei Jahre nach der Uraufführung von Mai bis August in fünf Teilen (= fünf Akten) 1857 im Feuilleton des „Illustrered Nyhedsblad“ in Christiania (damaliger Name Oslos). Es folgte eine Sonderausgabe im selben Jahr von 250 Exemplaren. Alle Rechte hatte Ibsen der genannten Zeitung überlassen, so dass er das Stück 1874 umarbeitete und mit 4000 Exemplaren verlegen konnte. Unsere obigen Angaben in VII. beziehen sich auf die zweite Ausgabe.
Jensen selber gibt indirekt eine mögliche Querverbindung durch eigene Lektüre an, wobei man wissen muss, dass Henrik Ibsen wie alle Norweger damals „bokmǻl“ schrieb, d.h. die dänische Schriftsprache, die Jensen beherrschte und pflegte. In „Das Asylrecht“ (1888) schildert er den Literaturzirkel einer Residenz und Hauptstadt:

Annähernd dem der Musik gewidmeten Zeitaufwand kam indes derjenige gleich, welcher den belletristischen Erzeugnissen der Literatur vergönnt ward. Die Kenntnis der neuesten französischen und englischen, auch russischen, dänischen und italienischen Romane unterlag keiner Anzweiflung, und aus dem durchgehenden Zutreffen dieser Voraussetzung ergab sich die Möglichkeit und der Genuß allseitigen tiefsten ästehetischen Eindringens in die Gesetze, die Technik, den kulturhistorischen Wert und die dichterischen Schönheiten der natürlich in ihren Originalsprachen gelesenen epochemachenden Werke.“ (1886, S. 10)
1 Vgl. David George: Henrik Ibsen in Deutschland. Rezeption und Revision. Göttingen 1968, S. 62 ff. sowie aktuell Nasjonalbiblioteket. www. Ibsen.nb.no

2Ibsen kehrte nach einem Stipendium für Rom 1864 erst 1891 ins ungeliebte Norwegen zurück. Er hielt sich 1864-68 und 78-85 in Rom auf, zwischendurch in Dresden 1868-75 sowie in München 1875-78 und 85-91, wo er Kontakte zum Literatenkreis um Paul Heyse hatte. In den Briefen lassen sich keine Verbindungen finden, vgl. Henrik Ibsen. Samlede Verker. Sekstende Bind. Brev 1844-1871. Oslo: Gyldendal 1940.

VII. Dramatische Verjüngung


Unsere Hervorhebungen bezeichnen motivisch auffällige Parallelen zwischen Ibsens Theaterstück und Jensens Roman „Karin von Schweden“ besonders in dessen erstem Teil. Das Schloss Torpa ist bei Jensen Zentrum des Widerstandes gegen den Dänenkönig Christian II. Hierher flüchtet sich Karins Retter (vor deren Absturz in die Tiefen des Trollhättan-Falles), der verfemte Gustav Erichsson, Parallelgestalt zu Sten Sture. Hier suchen ihn die verfolgenden Dänen, und Karins Verlobter Gustav Rosen, ebenfalls Däne, verhindert eine Festnahme. Nils Lykke und Eline entsprechen den Verlobten, während Inger als nächste Generation der Rolle der Mutter Karins und Erzpatriotin Brita nachempfunden ist. Wichtiger noch als die funktionale Entsprechung der Figuren Ibsens ist Jensens Kunstgriff, die auserkorene Inger in Karin um eine Generation zurück zu versetzen und den ganzen nordischen Freiheitskampf zum erfolgreichen schwedischen zu machen. So viele Parallelen können auch bei umfassenden historischen Kenntnissen kein Zufall sein.

VI. Parallelen

Henrik Ibsen hatte den Stoff sehr frei 1854 zu einem Schauspiel in fünf Aufzügen verarbeitet. Aus Vergleichsgründen werfen wir einen Blick auf das Szenarium des 1. und II. Aktes:1
Gespenstischer Rittersaal des Schlosses Oestrot bei schwachem Mondlicht während einer stürmischen Nacht. Bauern dringen zu Frau Inger vor und bitten um Waffen, um am Aufstand in Darlekarlien gegen Gustav Wasa teil zu nehmen und dabei Norwegen auch von der Fremdherrschaft der Dänen zu befreien. Sie rät davon ab, weil Friedrich von Dänemark seinem Freund Wasa beistehen würde. Ihre Tochter Eline erinnert vergebenlich daran, dass die anscheinend zögernde Inger die Hoffnung des Landes verkörpere und alle auf ihr Zeichen hofften. Inger erwartet in eben dieser Nacht einen dänischen Unterhändler als unerkannt zu bleibenden Gast. Die Bauen sind misstrauisch und die feindlichen Schweden in Schlossnähe. Zwar möchte sie den Freiraum vor der noch nicht erfolgten Königswahl Friedrichs für die Rechte und Einheit Norwegen nutzen, will und kann nicht selber mehr sich an die Spitze stellen – auch um der vielen Opfer willen und nicht zuletzt wegen ihres Alters.
Doch zunächst taucht der verfemte Norweger Olaf Skaktavl auf und versucht, von ihr das Zeichen zum Aufstand zu erhalten. Er erinnert sie an ihre erste Begegnung vor rund fünfunddreißig Jahren, als sie als fünfzehnjährige die Auserkorene war, das Land vom Sklavenjoch zu befreien und dies auch mit allen beschworen hatte.
Olaf wird versteckt, als der dänische Reichsrat Nils Lykke erscheint - er hatte ihre verstorbene Tochter Lucia entehrt und heiratete dennoch später unbeeinträchtigt von der auf Rache sinnenden Inger die Tochter Eline - , und sich sofort der Fluchtmöglichkeiten versichert: „Man spricht zwar von unterirdischen Gängen; aber niemand kennt sie außer Frau Inger und vielleicht Jungfer Eline.“ (S. 68) Er vermutet den Sohn Sten Stures auf dem Schloss und will Inger mit politischen Zusagen überlisten, um Sture aus dem Versteck zu locken (vgl. S. 91ff.). Inger ist des echten Stures Mutter, was nur sie bisher weiß. Die Dänen versprechen sich in Sture einen Rivalen Wasas für ihre Zwecke. Allerdings existieren zwei Nils Sture, ein legitimer und der schwedische Betrüger, die hier bei Ibsen identisch sind. In derselben Nacht taucht Nils auf und gibt sich Nils Lykke zu erkennen. Die Schweden erstürmen das Schloss, woraufhin Inger ihren Sohn töten lässt und darob den Verstand verliert.

1Vgl. Henrik Ibsens: Sämtliche Werke in deutscher Sprache II.(E. Klingenfeld: Die Herrin von Oetrot).Berlin: Fischer 1898, S. 34-61. Sie ist bei Ibsen die Mutter von Nils Sture (hier Nils Stensson), dem Sohn des Reichverwesers Sten Sture, gibt sich aber als solche nicht zu erkennen.   

V. Ibsen als Quelle

Der Stoff für „Karin von Schweden“ scheint aus den politischen Zeitumständen der Entstehung der Novelle um 1866 aktualisiert. Die Idee hingegen, die Hintergrunds-Geschichte Gustav Wasas aufzugreifen und dabei König und Königin eine Generation zurück zu versetzen, stammt aus einer anderen Quelle. H.Landsberg wies im Vorwort einer späteren Auflage von „Westwardhome“ darauf hin, dass es von Interesse sei, „Karin von Schweden“ mit Henrik Ibsens historischem Frühwerk „Frau Inger auf Östrot“ zu vergleichen.1

Ibsen gestaltete hier in seinem Frühwerk eine Episode aus dem Kampf Norwegens um Selbstbehauptung gegenüber Dänemark - zeitlich nach der Krönung Gustav Wasas I., 1523 gelegen, als dieser seine Krone gegenüber Aufständischen behaupten musste und dabei auch Norwegen bedrohte. Nach der Absetzung Christians II. hatte der dänische Adel im Dezember 1523 Friedrich I. von Holstein die Krone übertragen.2 Das norwegische Lehnswesen hätte daraufhin ebenso wie der neue König vom Reichsrat bestätigt werden müssen, was zu einem innernorwegischen Machtkampf führte und sich eigentlich bis zu dem Versuch Christians II. 1531/32 hinzog, als er mit Unterstützung der Niederlande und seines Schwagers Karl V. vergeblich versuchte, über Norwegen, das ihn kurzzeitig wieder als König anerkannte, in seine alten Rechte über die drei Länder einzutreten. Erst 1532 wurde er von Friedrich mit Unterstützung Lübecks und Wasas geschlagen und für den Rest seines Lebens festgesetzt. Das Legalitätsproblem der Nachfolge hatte noch einen Seitenaspekt: ein angeblicher Sohn des letzten schwedischen Regenten, Sten Sture, tauchte in Norwegen auf und brachte Gustav Wasa in zusätzliche Schwierigkeiten.3 In diese Affäre verstrickt war Inger Ottersdatter zu Austråt bei Trondheim aus altem norwegischen Adel, die ihre Interessen nicht nur durch eine geschickte Verheiratung ihrer sechs Töchter mit dänischen Reichsräten zu wahren versuchte, sondern heimlich auch für einen Aufstand für Norwegens Selbständigkeit warb.
1Vgl. ders. In: Wilhelm Jensen: Westwardhome. Leipzig: Max Hesse nach 1906, S. 5 f. , wo es um romantische Sentimentalitäten geht, die bei Jensen eher überwunden werden.
2Vgl. Aschehougs Norges Historie. Bind 5, S. 15f-27.

3Vgl. Geijer 1834, S. 58 f.. 68 f.: Dieser war ein Bauernknecht aus Westmanland, den die Dalarner Mittelschwedens unterstützten und der Erzbischof von Trondheim. Er umgab sich in Norwegen mit einem Hofstaat, wurde dort als Betrüger entlarvt und später in Rostock hingerichtet.   

IV. Die Geschichte Gustav Wasas?

Im Falle von „Karin von Schweden“ verrät Jensen durch direkte Zitate im Kapitel VII, dass er sich der „Geschichte Schwedens“ von Erik Gustav Geijer bediente, erschienen bei Perthes 1834 in Hamburg („Geschichte der europäischen Staaten“. Bd. II in der Übersetzung von Swen P. Leffler.) Hier sind Gustav Wasa drei Kapitel mit 150 Seiten Länge gewidmet. Der Primat der Phantasie stellt im obigen Zitat das Prinzip des Historischen in Frage bzw. reduziert es auf ein exemplarisches Moment, das für den Leser das Interesse verlieren könnte, sollte es zu undeutlich, zu allgemein oder nur metaphorisch sein.1 Diese Grenze überschreitet Jensen in „Karin von Schweden“ nicht, ordnet jedoch historische Fakten zu Gunsten einer gesteigerten Gesamtwirkung um. Schon in „Die Juden von Cölln“ führt er im Vordergrund Personen ein als Sympathieträger, die in den Strudel des politischen Gewaltgeschehens geraten, es in seiner Entstehung demaskieren und die Gefahr überleben: es sind junge Liebespaare.
Die maximalen Gewaltausbrüche – Dr. Jensen, dem Spezialisten des Nibelungenliedes mit seinem Schlussgemetzel wohl vertraut – wiederholen sich leitmotivisch: der Pogrom wird in der Geschichte des schwedischen Befreiungskrieges von dänischer Tyrannei mit dem Massaker des „Stockholmer Blutbades“ vom November 1520 fortgeführt. Christian II von Dänemark hatte seinen Rechtsanspruch auf die schwedische Krone militärisch durchgesetzt und versöhnlich den schwedischen Adel zur Krönung ins Stockholmer Schloss geladen. Nach einer Verurteilung als Ketzer ließ er dort über hundert Personen hinrichten und verfolgte die dem Fest Ferngebliebenen wie Gustav Eriksson, der den schwedischen Widerstand organisierte und als Gustav Wasa 1523 schwedischer König wurde. Dieser heiratete später in dritter Ehe Katharina Stenbock (1537-1621) im Alter von 17 Jahren. Sie war verlobt mit Gustav Johannsson Roos, der die Verlobung lösen musste und mit Katharinas Schwester verheiratet wurde. Wasas Sohn Erick verlieh ihm später den Grafentitel (s.o. 1834: S. 155). Soweit grob die historischen Fakten.
Hier kommt bei der Frauenfigur Jensens kreative Phantasie zum tragen: er lässt die Verlobten das Stockholmer Blutbad und den Aufstand gegen Dänemark miterleben, d.h.Katharina, das historische Vorbild, wird um eine Generation verjüngt und Karin Stenbock genannt. Sie wird unter diesem Namen zu einer eigenständigen Romanerfindung ebenso wie Gustav Rosen, der Verlobte, der jetzt interessanterweise dänischen Ursprungs ist. Beide wachsen im Schloss Torpa der Stenbocks in Westschweden auf und sind seit Kindesalter füreinander bestimmt.
Wilhelm Jensens chronologischer Eingriff, dem auch Gustav Wasa unterliegt, bringt für das Romangeschehen zweierlei: der nationale Konflikt der beiden Länder wird in nuce auf der Ebene der persönlichen Beziehung ausgetragen. Gustav Rosen entscheidet sich bei dem - von Jensen ersonnenen - Mordanschlag gegen Christian II auf Torpa, wo die Hochzeit stattfinden soll, für seinen König und verrät die Verschwörung Karins, die durch ihre Flucht zur schwedischen Patriotin werden kann an der Seite von Gustav Erichsson, dem späteren Gustav Wasa I. Die Tragödie Schwedens wird theatralisch reduziert und gegenüber der Historie auf ein Kalenderjahr (statt deren drei) mit seinen Jahreszeiten fokussiert. Die Ablösung Karins von der Gestalt Katharinas gibt dem Autor die Freiheit für eine Psychologisierung nach eigenen Vorstellungen. Das knüpft durchaus an eine Tradition literarischer Bearbeitung an, die selten hinterfragt wurde. Goethes Egmont z.B. ist im Trauerspiel bei der Exekution deutlich jünger als das historische Vorbild. Dadurch verringert sich die Distanz zu der von Goethe erfundenen Geliebten Clärchen und die Tragödie gewinnt an Dramatik wie an Anteilnahme, je jünger die geopferten Protagonisten sind. Romeo und Julia wären nicht als altes Paar denkbar,
Neben einer so gewonnenen Einheit der Handlung und Charaktere erdichtet Jensen auch die des Ortes entgegen der geographischen Beschaffenheit. Zwischen dem Schloss Torpa und den großen Wasserfällen des Trollhättan existiert im Roman ein geheimer Fluchtgang. In der Realität liegen zwischen beiden Orten mehr als hundert Kilometer..
Der Trollhättan wird explizit als landschaftlicher Protagonist zum Befreiungsdrama herangezogen. In den Zitaten Jensens sahen wir oben, dass er die Tiefe des Meeres mit dem eigentlichen Verstehen von Geschichte vergleicht. Die gewaltigen, urzeitlichen Fälle von Trollhättan eröffnen und beschließen in fast notwendiger Weise eindrucksvoll in poetisch stilisierter Sprache seinen Roman.
Der Befreiungskampf der Schweden von der dänischen Tyrannis ist für den Leser von „Karin von Schweden“ des Erscheinungsjahres 1872 nicht nur eine geschichtliche Revolte der Renaissance. Die beiden deutschsprachigen Herzogtümer Schleswig und Holstein gehörten seit 1460 zu Dänemark und litten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert unter dem Druck des zunehmenden dänischen Nationalismus. Es kam zu einer blutigen Erhebung 1849/50, die anfangs von Preußen unterstützt wurde, dann aber zusammenbrach. 1864 griffen Preußen und Österreich Dänemark direkt an, besiegten es und teilten die Landesteile als Schutzmächte auf. Nach dem gewonnenen Krieg gegen Österreich annektierte Preußen die beiden Provinzen einschließlich des nördlichen Südtondern.
Wenn Jensens Arbeit an „Karin von Schweden“ wirklich schon 1866 in Stuttgart begann, dann spiegelte sich Zeitgeschichte im schwedischen Freiheitskampf des 16. Jahrhunderts. Die Unterdrücker waren wiederum die Dänen. Aber die Parallele sollten nicht darüber hinweg sehen lassen, dass es den Schleswig-Holsteinern nicht gelang, ihre Unabhängigkeit durchzusetzen.
Inwieweit der deutsch-französische Krieg 1870/71, den Jensen nur lyrisch kommentierte, vom damaligen Leser auf „Karin von Schweden“ bezogen wurde, bleibt fraglich. Karin war zwar als jugendliche, entschlossene Patriotin einer Jeanne d'Arc vergleichbar. Aber jenseits des Rheines ging es nicht um die Befreiung Frankreichs, im Gegenteil, die deutsche Reichsgründung fand auf okkupiertem Territorium statt, wiewohl in beiden siegreichen Fällen sich 1523 wie 1871 neue Monarchien und neue Reiche am Ende der Feindseligkeiten konstituierten.

1Vgl. F. Schätzing: Vorwort zu W. Jensen: Die Juden von Cölln. Köln 2008, S. 8.

III. Zyklen der Barbarei

Wilhelm Raabes Entwicklungsroman „Der Hungerpastor“ (1863/64) stellt die Vita zweier benachbarter Knaben dar, deren einer, der arme verwaiste Schusterjunge und späterer Hungerpastor Hans Unwirrsch ist, der andere Moses Freudenstein, Jude, begütert, begabt und sodann mondäner Lebemann. Die Freundschaft schlägt von Seiten Unwirrschs in Hass um. Diese antagonistische Parallelbiographie hat strukturell einen vielleicht nicht so intendierten Antisemitismus generiert. Sie wird zum Anlass für Wilhelm Jensen, 1865 die Geschichte des Kölner Pogroms von 1348 mit einer eindeutig gegenteiligen Tendenz zu verfassen, die er in der Neuauflage von 1869 mit einem Vorwort versieht:
Es ist ein Buch, das man im Herbst lesen muss, um es zu verstehen. Und wenn man es recht verstehen will, muss man als Kommentar die Geschichte dazu lesen. Und wenn man es in seiner Tiefe begreifen will, da muss man es am Meeresstrand lesen, wo die Wellen kommen und sich überstürzen, eine nach der anderen, und auf den Sand hinaufrauschen und wieder zurückrollen ins ewige Wogen des Meeres.
Die Bücher aber, die ich als Kommentar las, waren der Zeit angemessen, denn sie enthielten die Krankheitserscheinungen dessen, was wir die Weltgeschichte, die Lehrerin der Gegenwart nennen.
..
Das Mittelalter mit seinem schwarzen Tod, seinen Ausgestoßenen, seiner blinden , rechtlosen Willkür ist vorüber und seine rohe Barbarei vom Thron gestürzt. Doch die feine ist geblieben und wendet sich unausgesetzt gegen ihre alten Opfer.“ (2008: S. 212 f.)
In seinem zweiten Vorwort zur Auflage von 1897 resümiert Jensen seine zwischenzeitlich enttäuschende Erfahrung mit seinem Philosemitismus:
Mich trieb die tiefe Empörung eines frischempfänglichen Gemüts über die Barbarei vergangener Zeiten, stürmischer Widerwille gegen die Heuchelei, die unter dem Banner der Religion tausendfach Schmach und Schande auf den deutschen Namen gehäuft hatte. Die Juden waren für mich ein geschichtlicher Begriff, noch keine meinem eigenen Leben entgegentretende Wirklichkeit. Meine Erzählung trug das Eigentliche der Dichtung in sich, sie war ein Gebilde der Phantasie, und aus dieser allein wurde sie geschaffen am historischen Beispiel.“ (2008: S. 207)

In diesen beiden Passagen ist die ganze historische Ars poetica Jensens enthalten, die auch für „Karin von Schweden“ und lange darüber hinaus galt: der Autor stellte sich dem historischen Stoff mit einem Engagement, das die barbarischen gesellschaftlichen Entgleisungen schilderte, um sie verstehen und vielleicht überwinden zu können. Grundlage ist nach diesen Angaben ein vorbereitendes Quellenstudium.
Die methodische Komplementarität von Historie und Phantasie kommentiert Jensen 1885 im einleitenden Kapitel von „Aus den Tagen der Hansa“:
Es ist ein bedenkliches Unterfangen, ein Bild aus der Mitte des 14. Jahrhunderts vor Augen stellen zu wollen.“ (S.7) Nach einer Schilderung der sozialen antagonistischen Dynamik von aufblühenden Städten in den wirtschaftlichen Zusammenhängen des Ostseeraumes als einer völlig neuen Welt definiert er seine schriftstellerischen Aufgabe:
Der Maler, der ein Bild der deutschen Verhältnisse um die Mitte des 14. Jahrhunderts entrollen will, darf es nur mit wenigen großen Strichen darstellen; eine Zeichnung der zahllosen, unablässig sich verschiebenden Einzelheiten, selbst der bedeutendsten, würde das Ganze verworren-unkenntlich vor dem Blick zerwogen lassen.“ (S. 11)
Allein dieses selektive Konzept führte, je näher historischen Epochen waren, offenbar zu Gewichtungen wie in „ Deutschland in Not“ (1909). In der Geschichte der „Schwarzen Schar“ im erfolgreichen Widerstand gegen Napoleon unter dem Herzog von Braunschweig liest sich dieser „geschichtliche Roman“ kapitelweise wie ein Handbuch mit sekundärer Binnenerzählung. Jensen geht konzeptuell nicht schematisch vor, sondern zuweilen auch strukturell in völlig überraschender Meisterschaft wie 1888 in „Das Asylrecht“:
Ein Verfasser liest in einem Salon einer mitteldeutschen Residenz seine Novelle aus dem 15. Jahrhundert vor, in der ein Ritter sich in eine Stadt flüchtet und um Asyl bittet. Aber dieses Thema taucht am Ende auch in der Rahmenerzählung auf, als die Tochter vor der hundertköpfigen Versammlung ihren Vater, den adligen Landgerichtspräsidenten, um die Erlaubnis bittet, den bürgerlichen Autor, der noch Referendar ist und, so der Vater, „nichts kann als Verse machen“, zu heiraten. Auf die kategorische Ablehnung und Zurechtweisung erwiderte „mit unwandelbarem Gleichmut Gerta [von] Meseritz:
Das tut mir leid, lieber Vater; so muss ich Herrn von Slawendorf [Freund des Autors] um Asylrecht für die Liebe bitten..“ (S. 467) Woraufhin sie mit dem Verlobten davonfährt. Der Freund zum Autor: „Deine ideale Welt ist doch eine gewaltige Siegerin, .. Die zurückgebliebene reale Welt stand noch ohne Sprache..“ (469)
Wie authentisch lassen sich bei reduzierten historischen Fakten die Charaktere gestalten? Sind sie als dominante Phantasieprodukte mehr als Projektionen der Erzählzeit? Der Leser kehrt nach dem Ausflug in die Vergangenheit in seine Gegenwart zurück und ordnet jene ein: da erscheinen Spiegelungen, Parallelen oder zeitlose Situationen. Auch wenn Jensen wie in dem großen Roman der Französischen Revolution, „Nirwana“ (1877), die Kritik an der repressiven Institution Kirche in einem möglichen historischen Zusammenhang gestaltet, sah man darin einen provokativen aktuellen Beitrag zum damaligen Kulturkampf – und das sicherlich zu Recht.

Fassen wir vor einem Blick auf Karin von Schweden noch einmal zusammen: Jensen vereinfacht programmatisch den geschichtliche Rahmen und lässt ihn in den Personen dramatischer Abläufe lebendig werden. Sie werden dadurch – übernehmen wir ruhig einen Ausdruck Hippolyte Taines -determiniert. Seine detaillierten Naturschilderungen sprechen Phantasie und Erfahrung des Lesers an und stabilisieren die historische Perspektive. Dabei ist eines noch wichtiger: die Sprache, in der erzählt wird, ist durch die Jahrhunderte bei Jensen gleich, ein komlexes, periodisch differenziertes Mittel, beide polaren Bereiche zu vereinen. 

II. Schwerpunkte

Das historisch-literarische Panorama Wilhelm Jensens kann kurz nach Ort und Zeit umrissen werden, um zunächst das frühe Erfolgswerk „Karin von Schweden“ darin zu situieren, das als erster von drei Novellen-Bänden, „Nordlicht“, 1872 erschien. Diese Strukturierung stützt sich in einem ersten Schitt auf biographische Grundlagen.
Jensen wurde 1837 im damals noch dänischen Holstein geboren, wo er in Kiel und Lübeck aufwuchs, zunächst Medizin in Kiel und Würzburg studierte, dann Literatur und Philosophie in Jena sowie Breslau und seine Studien 1860 als Doktor phil. mit einer Dissertation über das Nibelungenlied abschloss. 1863 folgte er einer Einladung Geibels nach München. 1864 lernte er am Chiemsee die Wienerin Marie Brühl kennen, zog zu ihr nach Wien, wo er den deutsch-dänischen Krieg aus der Ferne erlebte. Nach ihrer Hochzeit 1865 übersiedelte er für vier Jahre nach Stuttgart, wo er literarisch im Umkreis von Raabe zu schreiben begann, laut Erdmann (S.71) auch schon an „Karin von Schweden“. Die politischen Ereignisse 1866, d.h. der Krieg zwischen Österreich und Preußen, ließ ihn an Raabes Seite engagiert für die letzteren und eine kleindeutsche Lösung Partei ergreifen, während er 1848 nur fernen Hass gegen die Befürworter einer völligen Eingliederung der Herzogtümer Schleswig und Holstein in Dänemark gehegt hatte. Als die „Schwäbische Volkszeitung“ 1867 gegründet wurde, trug man ihm die Leitung der Redaktion an. 1869 übernahm er dann für drei Jahre die „Flensburger Norddeutsche Zeitung“ und wurde in dieser Funktion zum bestgehassten Mann bei fanatischen Dänen. Ab 1872 lebte er wieder in Kiel und wechselte aus gesundheitlichen Gründen, inzwischen Berufsschriftsteller, 1876 nach Freiburg. Ab 1888 waren sein Lebenszentrum München und im Sommer besonders der Chiemsee.

Auf der Polarität zwischen norddeutscher Landschaft - Nord- und Ostseeränder eingeschlossen - der des Schwarzwaldes und des Chiemsees beruhen viele Novellen und Romane, die ihren geographischen Kontext im Titel tragen und sich gewissermaßen historisch bis in die Tage der Hansezeit, der Hohenstaufer oder gar der Hunnen öffnen:
1878 „Aus Lübecks alten Tagen“, 1885 „Aus den Tagen der Hansa“, 1890 „Diana Abnoba. Eine Schwarzwaldgeschichte von der Baar“, 1892 Hunnenblut. Eine Begebenheit aus dem alten Chiemgau“, 1895 „Chiemgau-Novellen“, 1900 „Durch den Schwarzwald“, 1904 „Vor drei Menschenaltern. Ein Roman aus dem holsteinischen Land“, 1906 „Unter der Tarnkappe. Ein schleswig-holsteinischer Roman aus den Jahren 1848-50“ usw.
Dank der Aufenthalte und Reisen bis nach Island und den Shetland-Inseln werden die Nord- und Ostsee zu unerschöpfliche Imaginationsquellen mit vertieften Detailkenntnissen und Natureindrücken besonders der Inseln von Norderney bis Fanö („Runensteine“, „Nordsee und Hochland“, „Vor der Elbmündung“, „Aus See und Sand“) und des Küstenraums zwischen Kiel und Flensburg („Flut und Ebbe“, „Luv und Lee“). Hierbei steht besonders nach dem Eindruck der verheerenden Sturmflut vom November 1872 die Ostsee in ihrer Gewalt der der Nordsee nicht nach.
Dieser literarische Raum greift manchmal, durch Ferienreisen motiviert, weiter aus: Italien („Alt-florentinische Tage“ 1893, „Gradiva“ 1903 z.B.), das Elsass („Der Pfeifer von Dusenbach“ 1884) natürlich mit politisch patriotisch Aspekten verbunden: 1871 „Lieder eines Soldaten aus Frankreich“ - diese sind allerdings am Schreibtisch entstanden und zunächst anonym erschienen. Jensen war Patriot, aber niemals Soldat. Am Tag nach der Kapitulation Frankreichs 1871 traf er in Paris mit dem aus dem Exil zurückgekehrten Victor Hugo zusammen, wie er am 5.3.71 an Raabe schrieb, über den und die deutsche Literatur sich beide unterhielten.1 1877 entsteht der religionphilosophische Revolutionsroman „Nirwana, Drei Bücher aus der Geschichte Frankreichs“, 1898/99 „Vom Schreibtisch und aus dem Atelier: aus meinen Kriegsjahren“, „Deutschland in Not. Geschichtlicher Roman aus dem Jahre 1809“. Seine Auseinandersetzung mit Frankreich schließt mit „Une soirée im ancien régime“ („Aus dem 18.Jahrhundert“, 1900) auch die vorrevolutionäre Epoche mit ein.
Kaum ein deutscher Autor des 19.Jahrhunderts widmete sich so umfassend und vielseitig dem französischen Nachbarn und der Napoleonischen Herrschaft in Deutschland (vgl. auch die Widerstandromane 1888 „Runensteine“ und 1909 „Deutschland in Not“).
Wilhelm Jensen war nicht nur ein vorzüglicher Kenner der französischen Geschichte, Sprache und Kultur, sondern beherrschte neben den alten Sprachen und Englisch - so Erdmann S. 39 - das Dänische seiner norddeutschen Nachbarn „völlig“, worauf wir noch zurück kommen müssen.
Einige, meist frühe Romane weisen in andere Kontinente: „Westwardhome, 1866 „Deutsches Land zu beiden Seiten des Oceans“ 1867, „Unter heißerer Sonne“ 1869 sowie später „Brandenburg'scher Pavillon hoch! Eine Geschichte aus Kurbrandenburgs Kolonialzeit“ 1902 nach Afrika. Hier kommt von Seiten der Thematik ein früher Exotismus ins Spiel bzw. das Phantastische wie in der Cornwall-Novelle „Eddystone“ 1872.
Zeitgeschichtliches wird von Wilhelm Jensen nicht ignoriert, gehört jedoch nicht direkt zur Domäne seiner Novellen und Romane mit der paradoxen Ausnahme von 1874 „Nach hundert Jahren. Roman aus neuester Zeit“. Für diese benutzte Jensen, der politische Journalist, die von ihm redigierte Presse besonders in Flensburg und privatissime mitfühlend die situative Lyrik. Ganz selten griff er mit einem direkten Essay in Aktuelles ein wie z.B. in die Debatte um die Vivisektion als kompetenter Mediziner gegen den Tierschützer Richard Wagner. Die großen kriegerischen Ereignisse des Jahrhunderts wie die Eroberungen Napoléons und die beiden Dänenkriege tauchen als Romansujets mehrfach auf – aber mit einem deutlichen historischen Abstand in der Bearbeitung.
Topographie und Chronologie sind indessen nur zwei Rahmenaspekte seines Werkes, dessen Handlungsträger in ihren sozialen Konflikten den Schwerpunkt bilden. Mit den Frühwerken „Die Juden von Cölln“ und den Novellen aus „Nordlicht“ einschließlich „Karin von Schweden“ zeichnen sich die Grundlagen seines weiteren Schaffens ab, d.h vor allem der narrative Umgang Jensens mit seiner historischen Vorlage.
Viele spätere Texte sind, das sei abschließend bemerkt, traditionell wie Karin von Schweden nach ihrer prägenden Hauptperson benannt: „1872 „Posthuma“, 1874 Nymphäa“, 1877 „Berthenia“ oder 1893 „Astaroth. Menta. Zwei Novellen aus dem deutschen Mittelalter“.

1 Vgl. Briefwechsel 132 f. - Jensen kündigt ein nie geschriebenes Buch „Ausdruck meiner Eindrücke in Paris unter dem Druck preußischer Bedrückung“ an. - Seine Haltung im 70ger-Krieg ist sehr viel diffenrenzierter als in neuen franzöischen Novellen-Einleitungen konstatiert wird. Auch wenn Jensen von der Welle eines Hurrah-Patriotismus fortgerissen scheint, ist sein Ansatz ein didaktischer, Er greift die populären anti-französischen Slogans zunächst auf und behandelt den Sieg episch-historisch parallel zum Untergang Roms, ehe er alles in zwölf formstrenge Sonette thematisch mit dem Kampf ums Dasein einmünden lässt. Dabei greift er abschließend versöhnend auf das revolutionäre französische Prinzip der „fraternité“ als Basis für den Staat zurück: „In ihm gestalte keinem sich zur Bürde/ Das Leben, beuge nie Gewalt das Recht/ Ob Herrscherwillkür, ob der rohen Hürde/ Entfesselte Begier. Nicht Herr und Knecht -/ Empor gedieh'n zu freier Menschenwürde/ Sei es ein einzig brüderlich Geschlecht!“(XI).